Wahlabstinenz in Nigeria verhilft Abiola zum Sieg

■ Ein aus dem Süden stammender Multimilliardär wird voraussichtich nächster Präsident Nigerias – wenn das Militär nicht doch an der Macht kleben bleibt

Kano (taz) –Bereits lange vor Bekanntgabe der Wahlergebnisse vom vergangenen Samstag bestanden in Nigeria kaum noch Zweifel: Der islamische Multimilliardär Moshood Abiola von der Sozialdemokratischen Partei (SDP) würde die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Seinem Rivalen Bashir Tofa von der „eher rechten“ Nationalrepublikanischen Konvention (NRC) gelang es nicht einmal, sich in seiner Heimat, dem Bundesstaat Kano im Norden Nigerias, durchzusetzen: Selbst dort errang SDP- Kandidat Abiola 52,28 Prozent der Stimmen. Auch in der neuen Bundeshauptstadt Abuja, in der Tofa als Favorit galt, sprachen sich über 52 Prozent für Abiola aus. Ähnlich in der Südostprovinz Akwa Ibom.

„Es sieht aus, als hätten wir ein Mandat der ganzen Nation erhalten“, freute sich Moshood Abiola bereits nach Auszählung von 14 der 30 Bundesstaaten. Offenbar hat er auch die Bedingung erfüllt, in mindestens 20 Bundesstaaten jeweils mindestens zwei Drittel der Stimmen auf sich zu vereinigen.

Doch der Mann, der nach der für den 27. August geplanten Machtübergabe der Generäle das erste zivile Staatsoberhaupt Nigerias nach zehn Jahren Militärherrschaft sein wird, ist keineswegs der Wunschkandidat der Bevölkerung. Allein die Tatsache, daß Politikern früherer Regierungen das passive Wahlrecht abgesprochen worden war, hat den Geschäftsmann zum Kandidaten werden lassen. Abiolas enge Beziehungen zu Staatschef Ibrahim Babangida lassen viele Nigerianer zweifeln, ob seine Machtübernahme zum demokratischen Neubeginn führt.

„Es hat schon im Vorfeld der Wahlen soviel Betrug und Manipulation gegeben, daß von Demokratie keine Rede sein kann“, meint Mahmud Tukur im nordnigerianischen Kaduna, von 1983 bis 1985 Handelsminister des Landes. Er ist gar nicht erst wählen gegangen – und er ist nicht der einzige. Die Wahlbeteiligung lag nach Schätzungen zufolge landesweit nur bei etwa 30 Prozent, im traditionell konservativen Norden sogar noch niedriger: Im Bundesstaat Kanu gingen nur 325.000 der 2,5 Millionen registrierten Wähler an die Urnen. „Der Übergang zur Demokratie wird erst nach dem 27. August beginnen“, glaubt Omar Farouk von der nordnigerianischen Tageszeitung Daily Times. „Was wir jetzt bekommen, ist kein Übergang zur Demokratie, sondern zu einer Zivilregierung.“

Der Journalist hält das Wahlergebnis dennoch für bemerkenswert. Es deute darauf hin, daß die althergebrachte Sichtweise „überholt“ sei, derzufolge das Land in einen konservativen Norden und Westen und einen eher progressiven Süden geteilt ist. Tatsächlich geht die seit der Unabhängigkeit weitgehend ungebrochene politische Vorherrschaft des Nordens mit Abiola nun auf einen Mann des Südens über – und die Bevölkerung der Nordstaaten ist sich dessen auch bewußt. „Laß uns dem Süden eine Chance geben und sehen, was diese Leute zustande bringen“, sagt die Fernsehangestellte Amina Abubakar in Kano – eine Meinung, die man derzeit öfters hört. Ob hochrangige Vertreter der bisherigen Regierung dem beipflichten, ist jedoch fraglich. Sie begreifen offenbar erst jetzt, daß ihre Tage im Amt gezählt sind. Beobachter schließen bislang nicht aus, daß das Militär sich doch noch weigern könnte, die Macht abzugeben. Bettina Gaus