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■ Ein „Verbrecherjäger“ in der chinesischen Stadt BaojiAls Dank gibt's Bier und Brathähnchen

Peking (taz) – Zhang Bin ist fünfzig, klein und drahtig. Und er wirkt nicht im mindesten wie die Baojier Version von Superman. Zhangs Job ist harmlos genug: an seinem kleinen Stand auf dem lokalen Markt stellt er Schlüssel her. Aber jeden Tag zwischen zwölf und drei und dann wieder am Abend durchstreift er die Stadt, setzt sich auf die Fährte von Kriminellen, bewaffnet nur mit einer Dose mit Pfeffer, den er jenen, die sich seiner Festnahme widersetzen, ins Gesicht schleudert. Eine polizeiliche Ausbildung hat er nicht genossen, nicht einmal Bücher gelesen, aus denen er Tips über das Metier des Detektivs erhalten hätte. „Die Leute nennen mich Sherlock Holmes“, sagt er, „aber ich habe keine Ahnung, wer das ist.“ Sein Hobby ist nicht ganz ungefährlich. Einmal wurde er mit einem Messer am Arm verletzt. Er tut es, sagt er, nicht für Geld, sondern weil er Verbrecher haßt. „Die Regierung lobt mich, und die Leute vertrauen mir. Ich mach's, weil es einfach meine Pflicht ist.“ 1989 wurde er ausgezeichnet, weil er 21 sogenannte Konterrevolutionäre gefangen hatte, die an regierungsfeindlichen Demonstrationen in Baoji teilgenommen hatten. Zhang Bin sagt, er fange zehn Kriminelle pro Woche, meistens Diebe, aber auch Prostituierte, Spieler und viele Drogendealer. Stolz zeigt er Fotos von Drogenkonsumenten, die er aufgenommen hat, als er überraschend in ihre Wohnung stürmte und sie auf frischer Tat ertappte. Vier der Leute sind hingerichtet worden, andere sind noch im Gefängnis.

Manchmal bittet die Polizei Zhang um Hilfe, und manchmal sind es MitbürgerInnen, die seine Unterstützung brauchen. Die Tatsache, daß die Polizei überhaupt auf jemanden wie Zhang angewiesen ist, weist auf den Schlendrian innerhalb der Polizei hin, sagt er. „Manchmal sind sie im Dienst, und manchmal sind sie nicht im Dienst. Aber ich bin immer im Dienst.“ Sein Ruf eilt im schon voraus. Als er letztens Peking besuchte, hat er die dortige Polizeizentrale beraten. „Ich habe ihnen gesagt, daß man das Problem an der Wurzel angehen muß“, sagt er. „Man muß die Drogen an der Quelle bekämpfen.“ Im Falle Shaanxis bedeutet dies, den Zustrom von Opium aus der Provinz Yunnan zu stoppen, und das Heroin, das in niedriger Qualität in der Bergregion zwischen den Provinzgrenzen von Anhui, Henan und Shandong produziert wird, wo sich die Polizei nicht hintraut. In Shaanxi spricht man von einer Vielzahl anderer krimineller Aktivitäten, von Waffen- und Antiquitätenschmuggel bis zu Bandenkriegen. Shaanxi ist als Chinas Wilder Westen bekannt, aber seine Probleme sind im Grunde dieselben wie im Rest des Landes.

Vor zwanzig Jahren behauptete die chinesische Regierung stolz, sie habe die Kriminalität fast völlig ausgerottet. Aber seitdem sich die soziale Kontrolle in den vergangenen Jahren gelockert hat, blüht die Kriminalität. Zwar gibt es viel offizielle Propaganda, in der ein hartes Vorgehen gegenüber Kriminellen postuliert wird, und es werden häufig Menschen für Verbrechen hingerichtet, die im Westen als eher geringfügig angesehen werden.

Tatsächlich aber folgt aus dem unterentwickelten Rechtssystem in China und der wachsenden Korruption in der Polizei, daß die Kriminalität von den Behörden weitgehend willkürlich geahndet wird. Für die durchschnittlichen gesetzestreuen BürgerInnen ist das Leben gefährlicher geworden.

Als einer seiner Nachbarn von einem Messerstecher verletzt wurde, baten sie Zhang, den Schuldigen zu finden. Sie dankten ihm mit Bier und gebratenem Hähnchen. „Ich habe ihnen gesagt, daß ich es nicht will“, sagt Zhang, „aber sie haben es hier für mich stehen lassen, und da konnte ich nichts machen.“ Catherine Sampson

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