Aus für Wahlspots?

■ NDR-Intendant Plog ergreift Initiative gegen Rechtsradikale

In der Auseinandersetzung um rechtsradikale Wahlwerbung, die im Norddeutschen Rundfunk aus Anlaß eines seit zwei Jahren anhängigen Arbeitsgerichtsverfahrens in Gang kam, startete NDR- Intendant Jobst Plog jetzt eine Initiative grundsätzlicher Natur. In einem Studiogespräch der „Tagesthemen“ vom Dienstag abend plädierte Plog dafür, Wahlwerbung überhaupt aus den öffentlich- rechtlichen Programmen zu verbannen, um die Verbreitung ausländerfeindlicher und rassistischer Spots zu verhindern. Er appellierte an die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg- Vorpommern, den Rundfunkstaatsvertrag für den NDR entsprechend zu ändern. Paragraph 15 Abs. 1 dieses Vertrages räumt zugelassenen Parteien und Gruppierungen, die für Landesparlamente, den Bundestag oder zum Europäischen Parlament in einer Landesliste oder in mindestens der Hälfte aller Wahlkreise eines Landes kandidieren, Sendezeiten für Wahlwerbung ein. Spätestens seit den schrecklichen Ereignissen von Solingen und Mölln sei es unmöglich, den Fernsehzuschauern guten Gewissens zu erklären, warum ausländerfeindliche Spots ausgestrahlt werden, sagte Plog. Vor zwei Jahren sei so etwas noch eher Theorie gewesen. Allerdings war es schon im Mai 1991 zum Konflikt um einen „Republikaner“-Werbespot zur Hamburger Bürgerschaftswahl vom 2. Juni gekommen.

Immer wieder, zuletzt bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im April 1992, habe sich der Sender gerichtlich dagegen zu wehren versucht, jedoch ohne Erfolg. Die Rechtsprechung interpretiere die Parteiengesetzgebung so, daß der NDR tatsächlich gezwungen sei, Werbung mit Formulierungen wie „Scheinasylanten raus“, „deutsches Geld für deutsche Not“ und ähnliches zu senden. Die halte auch er für unerträglich. „Der Verweis darauf, daß wir dieses nicht verantworten, sondern einfach ausstrahlen müssen, erscheint Bürgern sehr abstrakt und den Mitarbeitern auch“, sagte der NDR-Intendant. Er werde seine Kollegen in der ARD bitten, gegenüber ihren jeweiligen Regierungschefs in gleicher Weise aktiv zu werden. Dies sei um so dringlicher, als die ersten Wahlwerbespots für die Hamburger Bürgerschaftswahl bereits Anfang August über den Sender gehen sollen und die Bundesrepublik insgesamt vor dem Superwahljahr 1994 steht.

Während aus den Staatskanzleien bei Redaktionsschluß noch keine Stellungnahmen erhältlich waren, bestehen die großen Parteien in ersten Reaktionen weiter auf der Ausstrahlung von Wahlwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Allerdings sprachen sich CDU-Generalsekretär Peter Hintze und SPD-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing gestern dafür aus, ausländerfeindliche Werbespots zu verbieten. Hintze schlug eine gesetzliche Neuregelung vor. Blessing regte einen „Konsens“ an, damit ausländerfeindliche Spots nicht gesendet werden müßten. „Die Radikalen dürfen nicht durch ihr Treiben die demokratischen Parteien aus dem Fernsehen drängen können“, sagte der CDU-Generalsekretär. Auch dürfe man den radikalen Parteien nicht ein zu großes Gewicht beimessen, wie das mit einem Vorschlag, wie Plog ihn gemacht habe, indirekt geschähe. Ulla Küspert