Der Vance-Owen-Plan wird angepaßt

Geheimverhandlungen mit exjugoslawischen Staatschefs in Genf / Druck auf Izetbegović / Spannungen in Kroatien vor dem Sezessions-Referendum der Krajina-Serben am Samstag  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Zum ersten Mal seit Beginn der Genfer Jugoslawienkonferenz vor neuneinhalb Monaten sollten gestern die Verhandlungen nicht im UNO-Palast, sondern an einem geheimen Ort stattfinden. „Auf Wunsch der Teilnehmer“, wie Konferenzsprecher Fred Eckhard erklärte. Denn die Lage in Ex-Jugoslawien sei inzwischen „so brisant“, daß sich Serbiens Präsident Slobodan Milošević, seine Amtskollegen aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina, Franjo Tudjman und Alija Izetbegović, sowie der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić und Kroatenchef Mate Boban einmal „ungestört von lauernden Journalisten unterhalten“ wollten.

Doch der Ort des Treffens war schnell entdeckt: ein von der Polizei weiträumig gegen lästige Medienvertreter abgeschirmtes Tagungshaus der Genfer Kantonsregierung in Genthod, einige Kilometer außerhalb der Rhonestadt. Und trotz der von den Konferenzvorsitzenden David Owen und Thorvald Stoltenberg verhängten Nachrichtensperre war natürlich zu erfahren, worüber gesprochen wurde: Eine Veränderung der im Vance-Owen-Plan für Bosnien- Herzegowina vorgesehenen territorialen Aufteilung, um den Plan für die bosnischen Serben akzeptabel zu machen. Zweites Thema war die Frage, wie ein Wiederaufflammen des kroatisch-serbischen Krieges zu verhindern sei, wenn die Serben in der kroatischen Kraijna am kommenden Samstag per Abstimmung ihre Abspaltung und die Fusion mit den bosnischen Serben beschließen.

Zwar bestand Owen vor Journalisten darauf, daß Vorbedingung für Änderungen des von ihm und Cyrus Vance entwickelten Plans nach wie vor die Zustimmung aller drei bosnischen Kriegsparteien sei. Am Prinzip eines bosnischen Staates werde „festgehalten“, eine Teilung in drei Separatstaaten komme nicht in Frage. Die Maximalforderung nach einem eigenen Staat für die bosnischen Serben hatte deren Führer Karadžić gestern morgen bei seiner Ankunft in Genf wiederholt. Doch auch eine von Owen angedeutete mögliche Lösung unterhalb der Ebene einer Aufteilung in drei Staaten – durch die Reduzierung der Zahl der bislang neun vorgesehen Provinzen und eine Änderung der Provingrenzen zugunsten der Serben – ist kaum vorstellbar. Einer solchen Lösung dürfte der muslimische Präsident Izetbegović nicht zustimmen.

Allerdings wird auf Izetbegović erheblicher Druck ausgeübt. „Wollen sie für einen neuen 30jährigen Krieg in Europa verantwortlich sein?“ lautet eine der demagogischen Vorhaltungen, mit denen Izetbegović jetzt, nach der Akzeptierung des Vance-Owen-Plans, zu weiteren Konzessionen gedrängt werden soll. Zudem verhandelten Owen und Izetbegović gestern zum wiederholten Male mit Fikret Abdic, einem in Bihac residierenden Muslim mit guten Beziehungen zu Serben und Kroaten, der als möglicher Nachfolger von Präsident Izetbegović gehandelt wird.

Derzeit noch größere Sorge als die Situation in Bosnien-Herzegowina bereitet den beiden Konferenzvorsitzenden der drohende Wiederbeginn des kroatisch-serbischen Krieges.

Die offiziell als „Routinekonsultation“ beschriebenen Gespräche von Vance und Stoltenberg mit Bundeskanzler Kohl und Außenminister Kinkel am Montag in Bonn dienten vor allem dazu, die deutsche Regierung zur Einflußnahme auf Kroatiens Präsident Tudjman zu bewegen. Bei einem kurzfristig anberaumten Treffen mit Tudjman am Dienstag abend in Genf warnte Kinkel diesen davor, auf eine Sezession der Krajina-Serben mit militärischen Mitteln zu reagieren. Dann könne er nicht auf internationale Unterstützung zählen, sondern müsse im Gegenteil mit der Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Kroatien rechnen.

Aus eben diesem Grund passe Serbiens Präsident Milošević „nichts besser ins Konzept, als wenn Tudjman den Krieg wieder aufnimmt“ erklärte ein an den Verhandlungen der letzten Tage und Wochen beteiligter Diplomat gestern gegenüber der taz. Tudjman überschätze zudem seine militärischen Möglichkeiten. Zumal wenn Präsident Miloševic die exjugoslawische Armee zur Unterstützung der kroatischen Serben schicken sollte, habe die kroatische Regierungsarmee kaum Chancen.

An einen Aufschub des Sezessions-Referendums der Krajina-Serben glauben die Unterhändler von UNO und EG inzwischen nicht mehr.

Doch bemühen sie sich derzeit, durch eine Änderung des serbischen Fahrplans den Vorgang etwas erträglicher für Tudjman zu machen. Denn bisher planen die kroatischen und die bosnischen Serben, die Vereiniung ihrer beiden Republiken ausgerechnet am historisch vorbelasteten „Veits“- Tag, dem 28. Juni, zu vollziehen. An diesem Tag wurde 1914 Prinz Ferdinand in Sarajewo erschossen und fand vor fast 700 Jahren die Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo) statt. Die Genfer Verhandlungen sollen heute fortgesetzt werden.