■ Die Natur schlägt zurück: Ein Bussard auf Jogger-Jagd
Weißenhorn/Landkreis Neu- Ulm) – Rechtsanwalt Hans-Heinrich Tittus konnte es kaum fassen, was ihm sein Freund, der Apotheker Dr. Falk Stolle, erzählte. Nur noch mit einem Stock bewaffnet würde er im Weißenhorner Ohnsang-Wald zum Joggen gehen. Der Grund dafür: ein wildgewordener Bussard, der ihn schon mehrmals angegriffen hat. Doch Hans-Heinrich Tittus ist inzwischen eines Besseren belehrt worden: Als er am Wochenende ebenfalls einen Dauerlauf absolvierte, bekam er plötzlich einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf. „Gerade so, als ob mich ein eisiger Schneeball getroffen hätte.“ Doch es war kein Wurfgeschoß, sonder ein Bussard mit einer Flügelspannweite von über einem Meter, der den Rechtsanwalt angefallen hatte. Seine Frau versorgte die Wunde, eine befreundete Ärztin schaltete die Universitätsklinik Tübingen ein. Dort freilich wurde zur Erleichterung des Joggers Tollwutentwarnung gegeben. Spezialisten des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) stehen vor einem Rätsel. Daß Greifvögel, vor allem Bussarde, Menschen angreifen, sei ihm bislang noch nicht untergekommen, erklärte der schwäbische LBV-Bezirksstellenleiter Max Jakobus. Allerdings haben zwei Auerhähne in den Allgäuer und Füssener Alpen jahrelang Gesprächsstoff geliefert. Diese von Menschen großgezogenen und später freigelassenen Tiere hätten jeweils zur Brunstzeit Urlauber und Wanderer attackiert. Ernsthaft verletzt wurde dabei jedoch niemand. Die Auerhähne waren eher eine Touristenattraktion.
Den Bussard von Weißenhorn will sich Max Jakobus in den nächsten Tagen genauer anschauen. Denn Dr. Stolle und Hans-Heinrich Tittus berichten auch von anderen Läufern, die den auffälligen Greifvogel beobachtet haben, ohne jedoch angegriffen worden zu sein. „Ich bin am Stammtisch belächelt worden, als ich erzählt habe, daß ich immer mit einem Holzstock zum Joggen gehe“, erzählt der Apotheker, der genau schildert, wie er sich vor dem wildgewordenen Bussard schützt: „Ich halte, immer wenn ich an die Stelle komme, wo er auftaucht, den Stock über den Kopf. Bereits mehrmals hat der Raubvogel nach dem Holzstock gepickt, aber mir ist nichts passiert.“ Es sei allerdings schon das dritte Jahr, daß er im Frühsommer von dem Greifvogel belästigt werde. Es gehe immer nur einige Wochen, dann sei bis zum nächsten Jahr von dem angriffslustigen Raubvogel nichts mehr zu sehen.
Jugendliche aus Weißenhorn, die ebenfalls den Bussard im Sturzflug erlebt haben, wollen jetzt trotz Warnungen von Vogelschutzbund und Eltern Jagd auf den Vogel machen. Klaus Wittmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen