Tragt Sparstrümpfe!

■ Das Medienforum zur Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen

Köln (taz)-„Wir haben gemacht, wovon wir glaubten, daß es gut und richtig ist.“ Fernsehdinosaurier Kuli plauderte aus den Urzeiten deutscher TV-Unterhaltung, als Konzepte noch Zufall und Publikumserfolg garantiert waren: „Von Quote war damals nicht die Rede, wir wollten Fernsehapparate verkaufen“, sagte der Showmaster auf dem Kölner Medienforum.

Von solcherlei kreativer Unbesorgtheit ist im dualen Wettbewerb von heute keine Spur mehr. Dem auf den Finanzierungssäulen Gebühren und Werbung ruhenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk brechen die Werbeeinahmen weg. Und an der Gebührensäule meißeln Politiker in medienpolitischem Aktionismus.

Nun gut, CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble hat seinen heftig kritisierten Angriff auf den Gebührentopf wieder zurückgenommen. Die großen Parteien versichern in ihren Sparappellen an ARD und ZDF neuerdings auch immer gleich ihre Solidarität mit dem System. Einzig die permanent profilneurotischen FDP-Medienpolitiker versuchen sich mit exotischen Vorschlägen aus der prozentbedingten Handlungsabstinenz zu katapultieren. „Im Jahr 2000 gibt es keine Gebühr mehr, sondern nur noch private Anbieter“, prophezeite der nordrhein-westfälische FDP-Fraktionsvorsitzende Achim Rohde. Daß mit dem Ende der Gebühren auch das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks käme, fände der Liberale nur folgerichtig. Schließlich hätten die Privaten längst die Grundversorgung übernommen, die ARD und ZDF als Auftrag und Legitimationsbasis ins medienrechtliche Stammbuch geschrieben sind. Rohde forderte deshalb das Ende der „Zwangsbeglückung“ durch den gebührenfinanzierten Rundfunk.

Solchen wirren Minderheitsvorstellungen zum Trotz ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht akut gefährdet, wird die Existenzfrage nicht ernsthaft gestellt. Doch in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession und schwindendem Zuschauerinteresse sind ARD und ZDF keine unangreifbaren Bastionen mehr. Die Traditionsfunker müssen sich bewegen: programmlich nicht den Kommerzsendern hinterherlaufen und effizienter wirtschaften. Und das wissen sie: ZDF-Intendant Dieter Stolte, bereits Anfang des Jahres mit einem vielbeachteten Sparkonzept in die Offensive gegangen, will ab Oktober mit einer neuen Programmstruktur der Selbstkommerzialisierung seines Senders entgegenwirken. Mehr Kultur, Wissenschaft und Diskussion wird es geben, um das „öffentlich-rechtliche Programmprofil hervorzuheben“, versprach er. Bis zum Jahr 2000 soll sich ein verändertes, für den dualen Wettkampf „konditioniertes“ ZDF seiner Existenzsorgen entledigen. „Speck runter“, rief Stolte ungewohnt angriffslustig zum öffentlich-rechtlichen Überlebensmotto aus, „die Muskeln müssen gestählt werden.“

Die Rechnung für die Gebührenfinanzierten kann nur aufgehen, wenn sie inhaltlich den Anspruch der Grundversorgung erfüllen, unverwechselbar und damit unverzichtbar sind, und wenn sie gleichzeitig deutliche Sparanstrengungen unternehmen. Dazu hatte sich – aufgrund komplizierter Entscheidungsstrukturen etwas behäbiger – auch die ARD eingelassen. Man präsentierte ein millionenschweres Streich- und Effizienzprogramm, will verstärkt auf Kooperation setzen. Trotzig sehen sich die Systeme aber nun an Grenzen angelangt und betreiben Status-quo-Sicherung.

HR-Intendant Klaus Berg warnte in Köln davor, die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit einem „Streichkonzert kaputtzusparen“, und lobte sie als „Kern des kulturellen Lebens“. Die Politik soll nach Vorstellung des Frankfurter Senderchefs Planungssicherheit schaffen: durch eine festgelegte Gebührenperiode (die nächste Erhöhung kommt später als ursprünglich geplant), durch einen medienspezifischen Index (der die Gebühren dynamisch steigen ließe) und durch die Aufhebung der 20-Uhr-Werbegrenze. Potentielle Sparposten wie Frühstücksfernsehen, Satellitenverbreitung und 49 Radioprogramme werden sogar erbittert als notwendig verteidigt.

Berg drehte den Spieß um: Bei einer solchen Programmvielfalt dürften 23,80 Mark Gebühr im Monat doch nicht zuviel sein, oder?! „Der deutsche Rundfunk ist der teuerste der Welt“, gesteht der HR-Intendant lapidar zu und rechtfertigt staatstragend, schließlich sei ja auch der „deutsche Föderalismus der teuerste der Welt“.

Noch scheinen sich die Öffentlich-Rechtlichen diesen Snobismus leisten zu können. Zumindest solange es Politiker wie Johannes Rau und Wolfgang Clement gibt, die neben lauen Sparappellen auch neues Legimimationsfutter in die öffentlich-rechtliche Selbstfindung einbringen. Der Ministerpräsident und sein Staatskanzleichef sehen ARD und ZDF als Bannerträger der Meinungsfreiheit, als Schwert im Kampf gegen die Medienkonzentration bei den Privaten. Konzentrationstatbestände seien per Gesetz nicht hinreichend regelbar, erläuterte Clement seine eigene Hilflosigkeit, deshalb komme dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Schutzfunktion zu, die allein schon die Existenz von ARD und ZDF rechtfertige.

Noch also können sich die Gebührenfinanzierten etwas Hochmut leisten, solange ihre Existenz selbst von den großen Kommerzsendern anerkannt wird. „So nette Konkurrenten kriegen wir nie wieder“, witzelt RTL-Chef Helmut Thoma. „Die Privaten brauchen ein funktionierendes öffentlich- rechtlichen System“, fordert Sat.1- Geschäftsführer Jürgen Doetz. Beide wissen: Nur wenn die Öffentlich-Rechtlichen die gebührenfinanzierte Grundversorgung übernehmen, können sich die Privaten auf die werbeträchtigen Programmsegmente beschränken. Christoph Heinzle