Eine bevorzugte Problemgruppe?

■ Zivilangestellte bei den Alliierten erhalten mehrfach Förderung für die Rückkehr auf den normalen Arbeitsmarkt / Zweifelhafte Qualität der Fortbildung / Amt für Verteidigungslasten gibt sich zugeknöpft

Bei allen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung und Umschulung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AfG) regiert der Rotstift. Die zivil Beschäftigten der alliierten Streitkräfte kommen dagegen in den Genuß, gleich zweimal gefördert zu werden. Sie haben die Möglichkeit, an internen Maßnahmen zur Integration in das zivile Arbeitsleben teilzunehmen. Wenn diese nicht zu einer Beschäftigung führten, können sie zusätzlich nach dem AfG gefördert werden. Rund 8.000 Zivilangestellte arbeiten bei den Alliierten in Berlin. Mit dem Abzug der Uniformierten beginnt die Suche nach einem neuen Job.

Für Normalarbeitslose ist eine zweimalige Förderung nur in Ausnahmefällen möglich. Nach den jüngsten Änderungen des AFG muß zwischen zwei Maßnahmen eine längere Pause liegen. Andreas Franke, bei der ÖTV für zivil Beschäftigte bei den Alliierten zuständig, findet die Ungleichbehandlung unproblematisch. Es handele sich um eine Problemgruppe, die der besonderen Förderung bedürfe.

Warum dieser Personenkreis im Vergleich zu den Arbeitslosen etwa im Osten Berlins schwierigere Startbedingungen hat, vermag der unbeteiligte Dritte nicht einzusehen. Die zivil Beschäftigten beziehen Westlöhne und sind von daher sehr viel eher in der Lage, eine Qualifizierungsmaßnahme selbst zu finanzieren. Bei tatsächlich schon Arbeitslosen in Ostberlin dürfte dies sehr viel schwieriger sein. Herr Brechlin, beim Landesamt für Verteidigungslasten zuständig für die finanzielle Abwicklung dieser Qualifizierungsmaßnahmen, bestreitet, daß die Alliierten überhaupt Schulungen für den ersten, den freien Arbeitsmarkt durchführen. Offiziell werden die Zivilangestellten für den Dienst bei den Alliierten fortgebildet. Wieviel für diese Schulungen ausgegeben wird, wisse weder er noch seine Mitarbeiter, sagt Brechlin. Anders äußert sich der Leiter des französischen Personalamtes. Er ist stolz darauf, daß im Moment zwölf Schulungen durchgeführt werden, die für den externen Arbeitsmarkt qualifizieren sollen. Er versichert, daß man sich viel Mühe gebe.

Herr Rohmer, beim Finanzministerium in Bonn verantwortlich für das Gesamtbudget der alliierten Streitkräfte in Berlin, hat bei dem großzügigen Umgang mit Förderungsmitteln „Bauchschmerzen“. Rohmer ist der Meinung, daß am ehesten das Arbeitsamt eine sinnvolle Weiterqualifizierung organisieren könne. Diese Institution besitze die größte Erfahrung. Die Vermutung scheint richtig zu sein. So bietet zum Beispiel das amerikanische Personalamt für auf kaufmännischem Gebiet völlig Unerfahrene einen Controlling-Kurs an: Wirtschafts–Insider wissen, daß die Tätigkeit des Controllers sehr anspruchsvoll ist. Wer bei Buchführung und Kostenrechnung mit Null startet, wird in einer Schulung über 280 Stunden kein Controller. Für den Vertreter der Industrie- und Handelskammer (IHK), Klein, besteht daran kein Zweifel. Natürlich könnten die TeilnehmerInnen des Kurses anschließend als Controller tätig werden. Für Zivilangestellte sei das keine ausgemachte Sache. Sie rechnen sich selbst keinerlei Chancen auf einen Posten als Controller aus. Sollten in diesem Kurs aber tatsächlich die zukünftigen Spitzenkräfte der Wirtschaft sitzen, handelt es sich nicht um eine besondere Problemgruppe.

Daß es an der Planung der Schulungen etwas hapert, scheint den Verantwortlichen inzwischen aufgefallen zu sein. Sie haben beim Institut für Technische Weiterbildung eine Studie in Auftrag gegeben, mit der Alter, Geschlecht, Qualifikationsmerkmale und jetzige Tätigkeit der zivil Beschäftigten erforscht werden sollen. Damit soll eine optimale Steuerung der Qualifizierungsmaßnahme erreicht werden. Andrés Ehmann

Der Autor ist Diplom–Volkswirt und arbeitet als Dozent bei verschiedenen Weiterbildungsträgern.