Mediale Hauptstadtfrage

■ Wer bekommt die Archiv-Schaubude "Mediathek" - Berlin oder NRW?

Es begann damit, daß Eberhard Fechner seine eigenen Filme nicht mehr auftreiben konnte. Der jüngst verstorbene Dokumentarist, der durch Filme wie „Die Comedian Harmonists“ bekannt geworden ist, konnte einige seiner älteren Werke partout nicht mehr aus den öffentlich-rechtlichen Archiven bekommen, um sie seinen Studenten an der Berliner Film- und Fernsehakademie zu zeigen. Für andere ist das noch viel schwieriger: Journalisten und Medienwissenschaftler klagen schon seit Jahren darüber, daß Fernsehspiele, Dokumentarfilme oder Nachrichtensendungen nach einmaliger Ausstrahlung häufig auf Nimmerwiedersehen in den Archiven der Sender verschwinden. Manchmal werden Sendungen, die großzügig mit GEZ-Gebühren bezahlt wurden, auch einfach gelöscht; andere Bänder werden durch jahrelange Lagerung unansehnlich.

Um wenigstens einen Teil der Sendungen zu erhalten, die seit Einführung des Fernsehens das kollektive Unterbewußtsein in beiden Teilen Deutschlands geprägt haben, gründete Fechner 1991 den „Verein Freunde der deutschen Mediathek“ und gewann prominente Mitglieder: Zu den 16 Freunden gehören unter anderem der frühere Leiter des ZDF- Fernsehspiels Heinz Ungureit, WDR-Emeritus Hans-Geert Falkenberg und der Dokumentarfilmer Erwin Leiser, der Fechners Nachfolge als Vorsitzender antrat. Ihr Ziel: der Aufbau eines Programm-Museums, wo die Zuschauer die „Sendung mit der Maus“ von 1975 genauso begucken können wie die ersten „Panorama“-Sendungen aus den Sixties oder zeitgenössische Talkshows.

Es geht nicht um ein Archiv für Spezialisten. Hans-Geert Falkenberg stellt sich die Mediathek als „Schaubude“ vor: „Die Leute sollen zu uns kommen wie in den Zoo oder wie in eine Sternwarte“. Auch an eine vollständige Sammlung des TV- und Radio-Schaffens sei keineswegs gedacht: Man sei froh, wenn man nur 0,1 Prozent des gesamten Archivmaterials aufbewahren und zeigen könne.

Vorbild für die Mediathek soll das New Yorker Museum of Broadcasting sein, das seit 18 Jahren Commercials sowie TV- und Radioprogramme sammelt und sich ständig steigender Beliebtheit erfreut. Dort wählen die Besucher am Eingang aus einem Programm- Menü in Computern eine Sendung aus, die sie anschließend in einem eigenen Vorführraum sichten können. Ähnliches gibt es auch in London, Paris und Quebec.

Der Standort einer deutschen Mediathek ist noch völlig offen. Das Berliner Abgeordnetenhaus bereitet einen Antrag vor, in dem der Senat aufgefordert wird, zusammen mit dem Bund die Trägerschaft zu übernehmen. Das TV- Museum könnte zusammen mit der Kinemathek und der Berliner Film- und Fernsehakademie in den Neubau ziehen, den Sony auf dem Potsdamer Platz plant – auf dem Platz also, von dem aus die ersten deutschen Radiosendungen ausgestrahlt worden waren. Das kulturelle Beiprogramm für Sonys Repräsentationsbau im Herzen Berlins zu liefern, findet Vereinsvorsitzender Erich Leiser unproblematisch, würden doch so etwa 50 Millionen Neubaukosten gespart.

Auch die Düsseldorfer Staatskanzlei ist an dem Projekt interessiert, will aber nicht die Trägerschaft übernehmen, sondern nur – wie beim Kölner MediaPark – eine Anschubfinanzierung bieten. In Köln soll allerdings schon RTL finanzielle Unterstützung für eine Mediathek in NRW angeboten haben – wohl aus Angst, sonst nicht in dieser vertreten zu sein. Denn bei der Zusammensetzung der Freunde der Mediathek könnte es sein, daß diese zu einem Mausoleum für die öffentlich-rechtliche Herrlichkeit von einst wird.

Die Freunde und Förderer erwarten jetzt die Entscheidung des Berliner Abgeordnetenhauses, bevor sie sich entscheiden, und üben sich im übrigen in Geduld: „Wir hoffen“, meint Erich Leiser, „daß die Mediathek noch in diesem Jahrtausend ihren Standort findet.“ Tilman Baumgärtel