■ Bücher.klein
: Menschenrechte – auch für Frauen?!

Kaum zu hoffen, daß sich die UNO auf eine Sonderberichterstatterin über die Verletzung der Rechte von Frauen einigen wird. Eine illustre Gesellschaft von Regierungsvertretern – und einigen wenigen Vertreterinnen – ist seit Anfang dieser Woche in Wien zusammengetroffen, um über Menschenrechte zu verhandeln. Viele von ihnen sind aber vor allem gekommen, um jede Kritik an ihrer Herrschaft abzuwehren: Fremde Werte wolle man ihnen aufzwingen, klagen sie, sich in innere Angelegenheiten souveräner Staaten einmischen und Kultur, Tradition und Authentizität ihrer Gesellschaften zerstören. Zum natürlichsten, traditionellsten und authentischsten zählen sie da gerne ihren Umgang mit Frauen.

„Schon allein, wenn frauenspezifische Menschenrechtsforderungen im Schlußdokument von Wien erwähnt würden, wäre die Konferenz ein großer Erfolg“, hat daher eine algerische Frauenrechtlerin am Rande der Konferenz gesagt und hinzugefügt: „Es gibt Leute, die sagen, das sind doch nur Worte. Aber ich will diese Worte als Anleitung zum Handeln verstehen.“

Was aber sind „frauenspezifische Menschenrechte“? Die in Hamburg erscheinende Vierteljahreszeitschrift der überblick hat ihre neueste Ausgabe diesem Thema gewidmet. Das scheint so viel schwerer zu beantworten als die Frage: Was wird Frauen angetan, weil sie Frauen sind? Ein großer Teil der Beiträge befaßt sich mit dem „Krieg der Männer gegen die Frauen“ im Norden wie im Süden der Welt. Sie beschreiben die systematische, staatlich betriebene oder geduldete Verletzung von Frauen an Leib, Seele und Geist: Vergewaltigungen im Krieg, Zwangsprostitution, Frauenhandel, Verstümmelungen, Unmündigkeit.

Sie berichten auch von den Schwierigkeiten, rechtliche Instrumente für den Schutz von Frauen zu entwickeln und durchzusetzen. Die UNO-„Konvention für die Beseitigung aller Formen von Diskriminierung gegen Frauen“ zum Beispiel: Sie ist von vielen Staaten, auch den USA, nicht unterzeichnet worden – darüber hinaus ist keine andere UNO-Menschenrechtskonvention mit soviel Vorbehalten unterschrieben worden wie diese. Selbst dort, wo – wie in der BRD – einige Gerichte bereits erkennen, daß geschlechtsspezifische Verfolgung ein Grund zur Flucht ist, wird es geflüchteten Frauen oft praktisch unmöglich gemacht, Asyl und Zuflucht zu finden.

Spätestens nach der – sehr zu empfehlenden – Lektüre dieses Heftes erscheint die oben zitierte Bemerkung der Algerierin nicht mehr nur schrecklich bescheiden, sondern zugleich auch entsetzlich realistisch. li

der überblick: „Menschenrechte, auch für Frauen?!“. Juni 1993, 7DM. Zu bestellen bei: ‘dü‘, 20354 Hamburg, Esplanade 14.