: Clinton preist „Heldentum“ in Somalia
US-Präsident erklärt Militäroperation für „beendet“, obwohl Aidid entgegen UNO-Wünschen noch nicht gefangengenommen wurde / Gibt es eine neue US-Militärdoktrin? ■ Aus Washington Andrea Böhm
Es war nach der langen Fahrt durch das Tal der Lächerlichkeit eine gute Gelegenheit, endlich einmal den tough guy zu spielen. Auf seiner ersten großen TV-Live- Pressekonferenz am Donnerstag gratulierte US-Präsident Bill Clinton den US-Soldaten und UNO- Truppen in Somalia zu ihrer Strafaktion gegen den warlord Mohamed Aidid. Heldentum, so Clinton mit einer Überdosis Pathos, habe „in dieser Schlacht keine Nationalflagge gekannt“. Aidids Schlag gegen UNO-Blauhelme, bei dem am 5. Juni 23 pakistanische Soldaten getötet worden waren, habe bestraft werden müssen.
Unerwähnt ließ der Präsident die vielen Toten des jüngsten und heftigsten Angriffs von UNO-Verbänden. Unerwähnt blieb auch, daß ein Mitarbeiter der französischen Hilfsorganisation „International Action Against Hunger“ starb, als deren Büro von Raketengeschossen US-amerikanischer Hubschrauber zerstört wurde. Tod durch „friendly fire“ heißt das.
Das primäre Ziel des UNO-Einsatzes – die Zerstörung von Aidids militärischem Potential – sei erreicht worden, sagte Clinton und erklärte die Aktion für „beendet“. Allerdings scheint man sich weder in Washington noch im UNO- Hauptquartier in New York einig zu sein, ob die Verhaftung Aidids ebenfalls zu den urspünglichen Zielen gehörte. Gegen den General ist durch den UNO-Sonderbeauftragten in Mogadischu, den pensionierten US-Admiral Jonathan Howe, inzwischen ein Haftbefehl ausgestellt worden. Auf Drängen der USA hatte der UNO-Sicherheitsrat in seiner Resolution, mit der die Strafaktion beschlossen worden war, auch die Verhaftung und Anklage gegen die Verantwortlichen des Angriffs auf die pakistanischen Blauhelmsoldaten gefordert. Doch verspürt man im Pentagon wenig Neigung, noch einmal wie im Falle Manuel Noriegas in Panama tage- und wochenlang nach einem internationalen Bösewicht zu suchen. Zudem ist bislang unklar, was mit Aidid geschehen sollte, falls er in die Hände von UN-Truppen gerät.
Sowohl Mohammed Sahnoun, Ex-UNO-Sonderbeauftragter in Somalia, als auch Robert Oakley, vormals US-Gesandter in Mogadischu während der US-Operation Restore Hope warnten am Donnerstag in einer Fernsehdiskussion davor, daß der UNO-Einsatz innerhalb breiter Teile der somalischen Bevölkerung als einseitige politische Parteinahme angesehen würde, falls nicht auch andere Klanführer und warlords militärisch entmachtet werden. „Aidid und die UNO haben sich ineinander verbissen“, kritisierte Oakley.
In den USA selbst ist an der Diskussion um die jüngsten Ereignisse in Somalia vor allem eines bemerkenswert: Der Mangel an öffentlichem Interesse. Meinungsumfragen über das Für und Wider US- amerikanischer Beteiligung an diesem bislang einmaligen UNO-Militäreinsatz tauchen überhaupt nicht auf. Das dürfte nicht nur auf ein Übergewicht der Aufmerksamkeit für innenpolitische Themen zurückzuführen sein. Die Richtlinien und Kriterien für militärisches Engagement der USA in Somalia sind mittlerweile sehr viel diffuser geworden. Entsprechend schwierig ist es, umfragegerechte Fragen zu formulieren.
Die Konfusion markiert offensichtlich eine Übergangsphase. Zwar entspricht die Dominanz der USA bei diesem UNO-Militäreinsatz immer noch jenem Vorbild, das einst Generalstabschef Colin Powell für die Rolle der Amerikaner in multinationalen Einsätzen gezeichnet hatte: Als „Kavallerie“, die eigenständig und unter eigenem Kommando in Krisenfällen zur Rettung eilt, um sich dann wieder zurückzuziehen und alles weitere der UNO zu überlassen. Doch inzwischen sind unter maßgeblicher Beteiligung der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, Pläne für eine erweiterte Rolle der USA bei Friedensschaffung und Friedenssicherung in Arbeit. Dazu gehören unter anderem die Umstrukturierung und Aufstockung des völlig überforderten UNO-Stabes für Friedensmissionen in New York. Außerdem steht die Militärführung in Washington dem Gedanken nicht mehr grundsätzlich ablehnend gegenüber, US-Truppen mit UNO- Mandat unter UNO-Kommando einzusetzen. Ein erster Versuchsballon ist die geplante Stationierung von 300 US-Soldaten zur Friedenssicherung in Mazedonien.
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