In Schottland bleiben die Uhren stehen

■ Erpressung der Timex-Arbeiter gescheitert, das Werk wird nun geschlossen

London (taz) – Der Versuch des US-Multis Timex, die Uhren in Schottland um fünfzig Jahre zurückzudrehen, ist gescheitert. Nach einem erbitterten Arbeitskampf gab das Unternehmen am Dienstag bekannt, daß das schottische Zweigwerk in Dundee zum Jahresende geschlossen wird. Personalchef Mohammed Saleh sagte, es sei unmöglich, in Dundee Produkte von Weltniveau herzustellen. „Jedenfalls nicht zu Dritte- Welt-Löhnen“, ergänzte Gewerkschaftssprecher Jimmy Airlie.

Die Auseinandersetzungen bei Timex, das in Dundee elektronische Schaltkreise und Zeitschaltuhren herstellt, begannen bereits vergangenen Heiligabend. Damals verkündete die Geschäftsleitung, daß 150 ArbeiterInnen wegen der schlechten Auftragslage für sechs Monate entlassen werden müßten. Der Betriebsrat beschloß, die vorübergehende Arbeitslosigkeit nach dem Rotationsprinzip unter den 343 ArbeiterInnen – zwei Drittel davon Frauen – gerecht zu verteilen, doch Timex lehnte ab. Die Belegschaft stimmte deshalb zu 92 Prozent für einen Streik, der Ende Januar begann. Timex setzte auf einen Konfrontationskurs: Geschäftsführer Peter Hall, der vor zwei Jahren mit seinem eigenen Elektro-Unternehmen in England pleite gegangen war, kündigte an, die Rentenbeiträge und die Zulagen für Überstunden zu senken, die Subventionen für die Kantine abzuschaffen, die Löhne einzufrieren, den Urlaub zu kürzen und die wöchentliche Arbeitszeit von 37 auf 40 Stunden zu erhöhen.

Die Belegschaft beschloß, trotzdem an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren – allerdings unter ausdrücklichem Protest. Hall, der die bedingungslose Unterwerfung verlangt hatte, reagierte postwendend: Er sperrte sämtliche ArbeiterInnen am 15. Februar aus und sandte ihnen per Taxi die Kündigungen. Einen Tag später ließ er 210 StreikbrecherInnen – mit Strumpfmasken getarnt, um unerkannt an den Streikposten vorbeizukommen – mit Bussen in die Fabrik schaffen.

Am Montag gab Hardliner Hall seinen Rücktritt „aus privaten Gründen“ bekannt. Sein Abtritt weckte Hoffnungen auf ein Nachgeben der Firma, entpuppte sich jedoch als Vorspiel für die Schließung des Werks. Ein Gewerkschaftsführer sagte allerdings: „Es ist zwar ein Pyrrhus-Sieg, aber dennoch ein Sieg, der anderen Arbeitgebern als Warnung dienen sollte, daß sie nicht einseitig den Lohn kürzen und die Arbeitsbedingungen verschlechtern können.“ Der Betriebsrat Charlie Malone fügte hinzu: „Die Leute wissen, daß es 50 Jahre gedauert hat, um diese Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Wir haben nicht das Recht, sie einfach wieder aufzugeben.“

Die Firma Timex, 1858 als Uhrenproduzentin gegründet, ist weltweit für ihre rücksichtslose Personalpolitik berüchtigt. Der norwegische Eigentümer Fred Olsen, der unter anderem eine kanarische Insel besitzt, hat für die Hauptniederlassung den US-Staat Arkansas gewählt – wegen der unternehmerfreundlichen Anti-Gewerkschaftsgesetze. Dort beschäftigt Timex noch 700 Menschen, die lediglich Uhrengehäuse herstellen. Der Rest der Produktion findet im fernen Osten statt. Dennoch trägt US-Präsident Bill Clinton – der aus Arkansas stammt – stets eine Timex-Uhr am Handgelenk, um für den „einzigen Uhrenhersteller der USA“ Werbung zu machen.

Auch im schottischen Zweigwerk wurden bis 1983 noch Uhren hergestellt, bevor die Firma die Produktion nach Asien verlegte. Die Zahl der Jobs sank damals von 4.000 auf knapp ein Zehntel. Seitdem haben die schottischen Behörden versucht, vor allem Elektronik-Konzerne mit dem Hinweis auf „gut ausgebildete, äußerst produktive, aber dennoch billige Arbeitskräfte“ nach Schottland zu locken.

Der britische Ausstieg aus der EG-Sozialcharta machte die Insel für Arbeitgeber noch attraktiver. Ian Lang, der Tory-Minister für Schottland, bedauerte denn auch, daß der Streik bei Timex den Bemühungen, ausländische Investoren nach Schottland zu ziehen, schweren Schaden zugefügt habe. Die Gewerkschaften fürchten, daß andere Unternehmen dem Timex- Beispiel folgen und ihre Läden dichtmachen, wenn die Belegschaften sich gegen Lohnkürzungen wehren. Ralf Sotscheck