Japan: Premier gekippt und Parlament aufgelöst

■ Neuwahlen finden in sechs Wochen statt

Tokio (taz) – Nach den Regeln der japanischen Verfassung hat Kaiser Akihito am Freitagabend in Tokio das Parlament aufgelöst. Zuvor hatte ein Mißtrauensantrag der Opposition im Parlament eine Mehrheit gefunden und das Kabinett von Premierminster Kiichi Miyazawa Neuwahlen beschlossen. Im Falle eines erfolgreichen Mißtrauensvotums muß das Kabinett nach der japanischen Verfassung entweder geschlossen zurücktreten oder Neuwahlen beschließen. Damit unterscheidet sich das japanische vom deutschen Recht, wo ein Mißtrauensvotum nur dann erfolgreich ist, wenn gleichzeitig ein neuer Regierungschef gewählt wird.

Premierminister Kiichi Miyazawa hingegen kann mit einem Wahlsieg seine Position bewahren. Er wird bis zu den in sechs Wochen geplanten Neuwahlen im Amt bleiben und in jedem Fall noch als Gastgeber für den Weltwirtschaftsgipfel Anfang Juli in Tokio auftreten. „Wir müssen eine neue Politik formulieren, die sowohl unserem Volk als auch der internationalen Gemeinschaft das Vertrauen in Japan zurückgibt“, begründete Miyazawa seine Entscheidung für Neuwahlen.

Noch am Vormittag hatte die Regierung alles daran gesetzt, ein erfolgreiches Mißtrauensvotum zu verhindern. Dann erwog der Premierminister, das Parlament noch vor der Abstimmung aufzulösen, was die Verfassung erlaubt hätte. Am Ende aber entschied sich Miyazawa für eine namentliche Stimmauszählung im Parlament, die es erlaubte, die etwa 60 Gegner in den eigenen Reihen festzustellen. Bereits zehn von ihnen erklärten gestern ihren Austritt aus der Partei. Wie tief die Risse bei den regierenden Liberaldemokraten derzeit sind, zeigte der Austritt der beiden Abgeordnetenbrüder Kunio und Yukio Hatoyama, deren Großvater bereits als Premierminister und deren Vater als Außenminister diente. Familien dieses Zuschnitts haben seit Ende des 19. Jahrhunderts die japanische Politik bestimmt. Sie wie gestern in der Opposition zu sehen ist für das Land neu. gb Seiten 8 und 10