Präsident Aserbaidschans auf der Flucht vor Rebellen

■ Gaidar Alijew übernimmt die Macht in Baku / Rebellen sind zufrieden und ziehen ab

Baku (afp/ap/taz) – Kurz bevor die Rebellen zum Sturm auf Baku ansetzten, gab Aserbaidschans Präsident Abulfaz Eltschibej auf. Um die Hauptstadt vor Kämpfen zu bewahren und sich selbst in Sicherheit zu bringen, flüchtete er in die Enklave Nachitschewan. In Baku nutzte der frühere KP-Chef Gaidar Alijew die Gunst der Stunde und verkündete am Freitag mittag über das Fernsehen: „Ich habe die Regierung in meine Hände genommen.“ Aus dem Büro Eltschibejs in Baku verlautete dagegen, daß der Präsident weder eine Rücktrittserklärung hinterlassen noch der Machtübergabe an Alijew zugestimmt habe. „Er wird, so Gott will, zurückkehren“, sagte ein Sprecher. Das ist jedoch kaum zu erwarten, da sein Rücktritt die Hauptforderung der rebellierenden Truppen ist, die nun ihren Vormarsch erst einmal gestoppt haben.

Der populäre Alijew, ehemals Mitglied des sowjetischen Politbüros in Moskau und erst am Dienstag zum Parlamentspräsidenten gewählt, nannte den Präsidenten einen Verräter in einer Zeit der Krise. Eltschibej sei vom Volk gewählt worden und deshalb verpflichtet, die Krise zu lösen, sagte der 70jährige. Allerdings war die Ablösung Eltschibejs schon seit Tagen in der aserbaidschanischen Führung diskutiert worden. Westliche Diplomaten berichteten, dem Präsidenten hätten ernstzunehmende Informationen über seine geplante Ermordung vorgelegen.

Eltschibej hatte Alijew in der vergangenen Woche nach Baku geholt, damit dieser zwischen der Regierung und den aufständischen Rebellen vermittele. Noch am Donnerstag hatte er drei seiner Minister entlassen, um den Forderungen der Rebellen entgegenzukommen. Ursache für die Militärrevolte waren interne Schuldzuweisen für die aserbaidschanische Niederlage im Kampf um Berg-Karabach. Der meuternde General Gussejnow war von Eltschibej gefeuert worden, nachdem die Karabach-Armenier im April einen zweiten Korridor nach Armenien erobert hatten. Am Freitag nutzten die armenischen Truppen in Karabach die Auseinandersetzungen in Aserbaidschan zu einem neuen Vorstoß. Sie starteten eine heftige Offensive gegen Fisuli südlich von Karabach sowie gegen das aserbaidschanische Armee- Hauptquartier in Agdam, östlich der Enklave auf aserbaidschanischem Territorium. Der Generalstab der Karabach-Armenier teilte in der Gebietshauptstadt Stepanakert mit, an allen Fronten im Osten der Enklave tobten heftige Kämpfe. Siehe auch Reportage über

Berg-Karabach auf den Seiten 14 und 15