SPD wählt Kandidaten

■ Landesparteitag ernennt Sonntag seine Mitte-Rechts-Crew für die Bürgerschaft     von Florian Marten

Urwahl hin, Parteiverdrossenheit her: Am Sonntag wählt der SPD-Landesparteitag in Wilhelmsburg seine BürgerschaftskandidatInnen nach guter alter Manier. Mauschelclubs, Ortsvereine, Kreise und der Landesvorstand haben erneut eine konservativ-betuliche Mischung zusammengestellt, die der Parteitag voraussichtlich ohne größeres Murren abnicken wird – Überraschungen nicht ganz ausgeschlossen. Parteiinterne Spötter sprechen vom „restdemokratischen Risiko“. Nach taz-Informationen wollen sich zumindest einige AusländerInnen-Gruppen zu Wort melden, die durch das Votum des Landesvorstandes für Hakki Keskin überstimmt wurden.

Schon im Vorfeld hatten Senats- und Parteispitze von ihrem Wunsch nach Geschlossenheit kleine Abstriche hinnehmen müssen. Für Unruhe sorgten Bürgerschafts-AussteigerInnen und der Wunsch bislang nicht durch Bürgerschaftsmandate abgesicherte SenatorInnen nach einem Listenplatz. Das Spielchen sorgte dann für jenes Durcheinander, das in Wandsbek, Harburg, Bergedorf und Altona leichte Verschiebungen in Richtung links brachte.

Aber noch immer sind SPD-Fraktion und Senat ein Hort der restaurativen Kräfte. Während sich Vorstand und Parteitag von den Beschlußvorlagen der Wandsbek-Connection emanzipiert haben, dominieren im Vorhof der Macht die alten Kräfte. Kein Wunder: Da ein Bürgerschaftsmandat der wichtigste Schritt zum Berufspolitiker ist, wirken hier, so ein hochrangiger Insider, „die langwierigsten Auslesemechanismen“. Die SPD-Linken sind dennoch zufrieden: „In vier Jahren ist die rechte Mehrheit weg.“ Der Marsch durch die eigenen Institutionen dauere eben. Die Fraktion werde diesmal wieder ein bißchen weiter nach links und unabhängig driften.

Die Parteirechte hat allerdings gut aufgepaßt. Die Linksverschiebung wird erst dann spürbar, wenn wieder 70 Listenplätze rathausrelevant werden. Als hundertprozentig sicher gelten bisher nur die ersten 50 Plätze: Platz 50 sichert auch dann noch ein Mandat, wenn die SPD in die Opposition muß. Gerade auf den kippeligeren Plätzen 60 bis 70 tummeln sich aber die KandidatInnen, die für den Wandel der SPD-Fraktion benötigt werden.

Wer die Liste als Talentschuppen für die SPD-Regierungspolitik der nächsten 10 Jahre begreift, kann auch diesmal keine überragenden Talente entdecken. Nach langen Mühen hat es zum Beispiel der eigenwillige Walter Zuckerer aus Altona geschafft. Allerdings dürfte ihm die Rangelei um einen Platz in der ersten Reihe die jugendlichen Politflausen ausgetrieben. Aufgegeben hat der Verkehrspolitiker Hermann Scheunemann. Er trat nicht wieder an, nachdem ihm die Regierungspitze angedeutet hatte, für ihn sei an verkehrspolitisch herausragender Stelle kein Platz. Weil, so Henning Voscherau, eine Verkehrspolitik gegen die Handelskammer nicht machbar sei.