Schwarze Perle am Horn

■ Ein Reiseführer durch das ferne Somaliland – Handbuch für das deutsche Afrikakorps von Major Rüdiger Kind, Leiter der Aufklärungsabteilung des UN-Sicherheitskommandos der Bundeswehr, z.Zt. Camp Helmut, Belet Huen

Anreise

Die Anreise erfolgt am schnellsten und ohne besondere Einreiseformalitäten über den Flughafen Mogadischu. Tägliche Verbindungen von Landshut mit modernsten Transall-Maschinen der Luftwaffe. Für Reisende mit Flugangst empfiehlt sich die wöchentlich verkehrende Kanonenboot-Verbindung Bremerhaven–Bosaso.

Gestaltung des Landes

Von allen Landstrichen des dunklen Kontinents hat Somaliland die einfachste horizontale Gliederung, und eine gleiche Einförmigkeit zeigt sich in der vertikalen Erhebung. Nur die Ränder dieses ungeheuren Raumes sind uns bis jetzt und auch diese nur sparsam bekannt. Aber nach der ersten Inaugenscheinnahme kann doch immerhin soviel gesagt werden: Bei Somalia handelt es sich um einen länglichen Landstreifen entlang des Indischen Ozeans zwischen Äquator und dem 10. Grad nördlicher Breite, wobei die schmalen Küstenflächen zu unbedeutend sind, um als Tiefländer im Sinne der norddeutschen Tiefebenenverordnung bezeichnet werden zu können. Im Süden staubig, im Norden sandig, so könnte das erste Fazit unserer Erkundungen lauten.

Weiter östlich zieht sich das aus Gebirgen und Hochebenen bestehende Bo-e-Somali oder Dares Somal von Zeila bis zum Kap Guardafui, welches auch als Horn oder – besser gesagt – Schwiele Afrikas sich in der wechselvollen Geschichte dieses geschundenen Kontinents wiederholt einen Namen gemacht hat.

Siedlungsformen

Von Mogadischu, der größten Stadt des Landes, abgesehen, handelt es sich bei den in den Landkarten verzeichneten „Städten“ vornehmlich um Wohnkonglomerate in Lehm-Wellblech-Verbundbauweise. Fußgängerzonen sind – bislang – unbekannt. Doch das dürfte sich, zumindest im Wirkungsbereich des Bundeswehr-Unterstützungskommandos, rasch ändern.

Flora und Fauna

Während man die Flora aufgrund mangelhaften Vorkommens weitgehend vernachlässigen kann, muß der landestypischen Fauna um so wachsameres Augenmerk gewidmet werden. Ich sage nur: Kamelspinne, Viper und Skorpion. Damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Hinzuzufügen bleibt, daß eine Schlangenfalle zum unverzichtbaren Ausrüstungsgegenstand gehört. Daß bei Übernachtungen im Freien das Zelt auf einer zugbrückensicheren Pfahlkonstruktion aufgeschlagen werden sollte, versteht sich ja wohl von selbst.

Verkehrswege

Auf unseren ausgedehnten Erkundungsfahrten auf den staubigen Pisten des Landes querten wir weder beschrankte noch unbeschrankte Bahnübergänge, was uns zu der Schlußfolgerung veranlaßte, daß es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Somalia um einen Pufferstaat ohne Eisenbahnen handelt. Sozusagen ein Schwellenland ohne eigenen Gleiskörper.

Politische Verhältnisse

Wie bereits angedeutet, war Somalia in der Vergangenheit Spielball mehrfach wechselnder fremder Mächte, die aber, gemessen an der heutigen, unübersichtlichen Situation sich gegenseitig befehdender Stämme, eine politische Ordnung garantierten, von der das jetzige Somalia nur träumen kann. Diese Erkenntnis kommt auch in dem Original-Korrespondentenbericht der Welt zum Ausdruck, den wir aufgrund seiner präzisen Lageeinschätzung auszugsweise zitieren: „Fanatisierte Menschen, denen Demokratie so fremd ist wie dem Elefanten das Eismeer, prallen heute aufeinander.“ Der Somalier nimmt den politischen Kampf offenbar wörtlich: Schießereien und Verletzte „gehören zum Alltag wie der Geier zum Aas“. Übergriffe der zahlreichen marodierenden Banden „sind so regelmäßig wie der Weg des Büffels zum Wasserloch. Kurz gesagt, die Menschen sind bis unters Kraushaar politisiert.“ Aufgabe der deutschen Schutztruppen wird es hier sein, begütigend auf die Bürgerkriegsparteien einzuwirken und für einen geregelten Ablauf der Manifestationen der politischen Willensbildung zu sorgen.

Brauchtum

Berichten früherer Entdeckungsreisender zufolge sind die Somalier im Grunde ein gutmütiges und lebenslustiges Völkchen. Kindliche Freude am Herumballern geben dem afrikanischen Spieltrieb jedoch eine „pikante“ Note, zumal der Europäer von den diversen Querschlägern ja bekanntlich keineswegs verschont bleibt. Unsere Kameraden vom Technischen Hilfswerk haben diese schmerzhafte Erfahrung gleich zu Beginn unserer humanitären Hilfsaktion machen müssen.

Im Grenzgebiet zu Äthiopien verzeichnen unsere Kundschafter einen Initiationsritus, der auch deutschen Jungmannen zur Ehre gereichen würde: Als Mutprobe müssen die Heranwachsenden in einem Gelände, in dem ca. 1,5 Millionen Landminen vergraben sind, auf Gnu-Jagd gehen. Erwägungen der Führung unseres Einsatzkommandos gehen dahin, die Überlebenden dieses mannhaften Brauches als Späher der deutschen Schutztruppen zu verpflichten.

Daß der deutsche Soldat als Kämpfer, Helfer und Beschützer, als Kulturträger und -vermittler ein Anrecht auf abendliche Entspannung und anspruchsvolle Unterhaltung hat, bedarf wohl keiner weiterer Begründung.

Unterhaltung

Und damit unsere Jungs auch am nächsten Morgen das Motto unseres Einsatzes „Wir sind auf Zack“ voll unter Beweis stellen können, sind Spezialeinheiten momentan dabei, die dafür notwendigen Einrichtungen „aus dem Boden zu stampfen“. Schon in etwa drei Wochen sollen die Vergnügungsmöglichkeiten am Einsatzort Belet Huen so vielfältig sein wie die Damenröcke, die junge Somalierinnen so gerne tragen. Nach ersten Erfahrungen kann aber auch jetzt schon gesagt werden, daß die unverbrauchten Buschschönheiten anschmiegsam wie eine Anaconda sind und den deutschen Landser mit der Grazie einer Antilope verwöhnen. Kein Wunder also, daß unsere starke Truppe ein Wunder an Gelassenheit ist und schon jetzt als Botschafter der guten Laune gilt. Ein Eindruck, der sich nach Eröffnung des „Bundesbräuhauses“ Belet Huen noch verstärken dürfte.

Sonstige Hinweise: Schlangenfallen sind ständig mitzuführen.