Genosse Computer und die linke Message

■ Alternative Mailboxen in Berlin

Sie heißen „Link-B36“, „IPN“ oder „Infobox Berlin“. Die Technik der Datenfernübertragung per Computer macht's möglich, daß heute so schnell wie nie zuvor schriftliche Nachrichten von A nach B gelangen können.

Die Verknüpfung vom Netz zu den BenutzerInnen ist die Mailbox. Über das Telefon kann sie anwählen, wer über einen Computer und ein Modem verfügt, ein Gerät, das Daten in akustische Signale verwandelt. Vom heimischen Schreibtisch aus kann der oder die Anrufende in den elektronischen „Schwarzen Brettern“ lesen oder Post an andere BenutzerInnen verschicken. Den Weiterversand übernimmt Kollege Computer. Und es ist billig. So muß für einen zehnseitigen Brief von Berlin ins mittelamerikanische Nicaragua wenig mehr bezahlt werden als 23 Pfennig für ein örtliches Telefongespräch. Die Laufzeit beträgt selten länger als einen Tag.

All das funktioniert über Netze, in Deutschland über „Comlink“. Ziel dieses Vereins: Die Millionen privater PC-BesitzerInnen sollten ihre Kiste als schnelles Medium zur Verbreitung von Informationen nutzen können, die Szene ein neues Medium erhalten.

Wer zum Beispiel über seinen Computer die Berliner Nummer 6158423 anwählt, ist verbunden mit der Box „Link-B36“. Erstmalige BenutzerInnen können sich nur als „Gast“ eintragen. Dann sind die Möglichkeiten deutlich eingeschränkt – man kann einen Begrüßungstext von „System Operator“ Rainer lesen. Wer aber überzeugt ist, ständiger „User“ werden zu wollen, kann sich eintragen und hat dann alle „Schwarzen Bretter“ zur Verfügung, die die Box so bietet. Und das sind viele. Im Bereich der „Dritte Welt“-Information finden sich englischsprachige Nachrichten über fast alle Teile der Welt, verfaßt meist von Agenturen oder Gruppen aus den Ländern selbst, die über die „Association for Progressive Communication“ (APC) verbunden sind. Die Nachrichten sind meist aktueller und detaillierter als alles, was in Printmedien – alternativ oder nicht – zu finden ist.

Aber auch der direkte Datenaustausch mit anderen Usern in entfernten Teilen der Welt ist möglich und billig. Der alternative Nachrichtenpool „Poonal“ zum Beispiel empfängt seine Nachrichten aus Mexiko, und „ohne die Datenfernübertragung wäre so eine Publikation undenkbar“, sagt Andreas Behn von Poonal. Als Alternative gebe es nur das Faxgerät, aber das ist über große Entfernungen eben teuer, und zudem müßten die Artikel abgetippt werden.

Obwohl mittlerweile fast jedeR einen PC zu Hause stehen hat, wird selbst auf mittlere Sicht wohl nicht zu befürchten sein, daß die elektronische Zeitschrift das gedruckte Wort verdrängt. Zu groß sind noch die Ängste, die sich mit der Computerbenutzung verbinden, und zu schön ist es doch, sich im Bett oder auf dem Klo mit einer Zeitung gemütlich niederzulassen. Bernd Pickert