PDS setzt zum Sprung über die 5-Prozent-Hürde an

■ Partei zieht mit offenen Listen in die Bundestagswahl / Aufbruchstimmung und Selbstbewußtsein überwogen auf dem Bundesparteitag Klagelieder über Ausgrenzung

Berlin (taz) – Wenn der Glaube tatsächlich Berge versetzen kann, dann ist die Partei des Demokratischen Sozialismus im nächsten Bundestag und im Europaparlament vertreten. Die Fünfprozenthürde überwunden, drei Direktmandate erzielt – für Helmut Holter, einen Delegierten aus Mecklenburg-Vorpommern, ist das eine „klare Antwort an die, die die PDS im Bundestag nicht mehr sehen wollen“. Das Motto des Parteitages der PDS am Wochenende in Berlin hieß zwar „Linke Opposition gegen rechte Experimente“, doch im Kern geht es den rund 500, vorwiegend aus Ostdeutschland stammenden Delegierten darum, Selbstbewußtsein zu demonstrieren. Wo früher das Lamento über die Ausgrenzung und Verfolgung der PDS überwog, wird heute Aufbruchstimmung verbreitet: nach außen wie nach innen.

Die Partei hat sich stabilisiert und an Akzeptanz gewonnen. Das ist die Botschaft, die der Vorsitzende der Bonner PDS-Bundestagsgruppe, Gregor Gysi, dem deutlich verjüngten Delegiertenkreis in der Kongreßhalle am Alexanderplatz vermittelt. Parteichef Lothar Bisky steht dem nicht nach. Die Öffentlichkeitsarbeit sei zwar immer noch mangelhaft, die Politikfähigkeit eher gering, auch sei die „Aktionsorientierung“ noch unterentwickelt, doch, so Bisky, die PDS habe an „Ausstrahlung gewonnen“. Vor allem auf „kommunalpolitischer Ebene, in den Arbeitskämpfen dieses Frühjahres und im Widerstand gegen militärischen Interventionismus, den Paragraphen 218 und die Beseitigung des Asylrechts“. Das wichtigste, weiß ein Delegierter, „ist der Wille, wieder in den Bundestag zu kommen“.

Mit deutlicher Mehrheit verabschiedet der Parteitag nach stundenlanger Abänderungsdebatte den Antrag des Parteivorstandes, mit offenen Listen in das Wahljahr 1994 zu ziehen. Prominente Persönlichkeiten aus dem „linken, demokratischen und antifaschistischen Spektrum“ sollen das erbringen, was die PDS Polit-Barometern zufolge aus eigener Kraft nicht zu schaffen vermag: rund zwei Millionen Wählerstimmen bei der Bundestagswahl in Ost und West. Namen werden noch keine gehandelt, es würde aber keinen wundern, wenn etwa der Vorsitzende des Bundesverbandes der Komitees für Gerechtigkeit, Heinrich Fink, präsentiert würde.

Mit der Annahme der Vorstandsvorlage wird ein Alternativantrag der PDS-internen „Kommunistischen Plattform“ verworfen. Er hatte Verhandlungen über linke Wahlbündnisse gefordert. Die potentiellen Bündnispartner: MLPD, KPD und DKP. Das ZK der Winzlingspartei MLPD hat in einem offenen Brief ein Wahlbündnis „MLPD/PDS“ schon umrissen: „Die PDS wie die MLPD lehnen das volksfeindliche Bonner Krisenprogramm zur Abwälzung der Krisenlasten auf den Rücken der Massen ab.“ Für die DKP trägt ein Gastredner vor, daß nur „gebündelte Gegenwehr“ den „Generalangriff von Kapital und Kabinett“ zurückschlagen könne. Die Delegierten halten sich lieber an Gysi: „Es hat mir bis heute noch keiner erklären können, warum Menschen, die mich als den größten Arbeiterverräter seit Trotzki oder Hans Modrow als den Totengräber der DDR bezeichnen, geradezu scharf darauf sind, mit der PDS ein Wahlbündnis zu schließen.“ Wolfgang Gast