„Blutiger Sommer“ der PKK

Kein Bekenntnis zu den Bombenanschlägen von Antalya / PKK drohte schon vor Monaten mit Attentaten in Touristenzentren  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Die Bomben von Antalya detonierten fast gleichzeitig gegen 22.30 Ortszeit am Sonntag abend an Plätzen, die besonders von Urlaubern frequentiert werden: vor einer Pension, einer Einkaufsstraße und dem Sheraton-Hotel. Laut Augenzeugenberichten warf einer der Attentäter Handbomben in die Gartenanlage des Sheraton, wo Touristen speisten. Insgesamt wurden bei den drei Bombenanschlägen 26 Personen, unter ihnen viele deutsche Urlauber, verletzt. Die große Mehrheit konnte nach ambulanter Behandlung das Krankenhaus verlassen. Zwei Deutsche und zwei Türken mit schweren Verletzungen wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei gab bekannt, daß nach den Vorfällen zwölf Personen festgenommen wurden. Die Fahndung nach den Tätern werde fortgesetzt.

Einhellig machten die türkischen Medien und türkische Politiker gestern die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) für die Anschläge verantwortlich. „Die PKK ist blindwütig geworden“, titelte die Tageszeitung Milliyet. PKK- Chef Abdullah Öcalan hatte erst vor wenigen Wochen von seinem Sitz in der libanesischen Bekaa- Ebene aus angekündigt, daß touristische Zentren Ziel von PKK- Anschlägen sein werden, und Urlauber aufgefordert, die Türkei als Reiseland zu boykottieren. Öcalan sprach vom „totalen Krieg“ des türkischen Staates gegen das kurdische Volk und die PKK und billigte ausdrücklich auch Anschläge auf türkische Urlaubsziele, um den Staat um eine Deviseneinnahmequelle zu bringen.

Nach den Drohungen seitens der PKK hatte das türkische Innenministerium ein Schreiben an die Geschäftsführer touristischer Unternehmen gesandt, in dem die Verantwortlichen aufgefordert werden, Maßnahmen für die Sicherheit zu ergreifen. Die Unternehmen sollten ihr Sicherheitspersonal verstärken und „Verdächtige“ kontrollieren.

Bislang hat die PKK weder die Verantwortung für die Bombenanschläge übernommen noch dementiert. Die der PKK nahestehende Nachrichtenagentur Kurd- Ha meldete: „Es ist interessant, daß die türkischen Fernsehsender die Verantwortung auf die PKK schieben. Unsere Korrespondenten melden, daß hinter den Angriffen auch dunkle Kräfte stehen können.“ Doch auch im Falle der Botschaftsbesetzungen in mehreren europäischen Städten vergangene Woche hatte die PKK zuerst nicht die Verantwortung übernommen. Die Botschaftsbesetzungen und die Anschläge in Antalya stehen offenbar im Zusammenhang mit der Eskalation in Türkisch-Kurdistan. Nach einer Zusammenstellung der in Ankara erscheinenden Turkish Daily News sind allein seit dem 24. Mai über 382 Personen in dem Bürgerkriegsgebiet getötet worden, darunter 201 PKK-Partisanen, 95 Zivilisten und 76 Soldaten. Seit Beginn des bewaffneten Kampfes der PKK 1984 sind über 6.200 Menschen ums Leben gekommen. Schon seit Monaten führt die türkische Armee einen unerbittlichen Feldzug gegen Partisanen und mutmaßliche Unterstützer, bei dem auch kurdische Zivilisten zu Opfern des staatlichen Terrors werden. „Innerhalb von drei Tagen sind neun Dörfer abgebrannt worden“, meldet die Istanbuler Tageszeitung Özgür Gündem.

Um der Guerilla die logistische Unterstützung zu entziehen, werden systematisch kurdische Bauern von der Armee vertrieben. Ganze Landstriche sind zwangsevakuiert. Auch Morde an kurdischen Persönlichkeiten, die der PKK nahestehen, gehören in Türkisch-Kurdistan zum Alltag. Die PKK ihrerseits reagiert mit Anschlägen auf Armeeinheiten, Beamte und sogenannte „Kollaborateure“. Als „Kollaborateure“ bezeichnet die PKK kurdische Dorfmilizionäre, die vom türkischen Staat bewaffnet werden, um gegen die Guerilla zu kämpfen. Am Freitag abend drangen PKK-Militante in das Dorf Koyunlu in der Provinz Mardin und töteten Frauen und Kinder von Dorfmilizionären. Die Leiche des von der PKK entführten Stadtverbandsvorsitzenden der „Republikanischen Volkspartei“ in Tilic, Ismet Türkmen, wurde am Sonntag gefunden.

PKK-Chef Öcalan, genannt „Apo“, spricht von einem „blutigen Sommer“, nachdem der türkische Staat nicht auf den einseitig verkündeten Waffenstillstand der PKK im März reagierte und statt dessen weiterhin auf eine „militärische Lösung“ setzte. Alle Zeichen weisen darauf hin, daß der Terror, der bislang auf Kurdistan begrenzt war, nun auf die gesamte Türkei und auf Länder mit türkischen und kurdischen Migranten überschwappt.