piwik no script img

Konzentration auf den Grünen Punkt

Bundeskartellamt untersagt dem DSD den Einstieg in das Geschäft mit Industrieverpackungen / Entsorgungswirtschaft avanciert zur Haßbranche für Wettbewerbshüter  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Die deutsche Wirtschaft sei keinesfalls kartellwütig, sagt Dieter Wolf, Präsident des Bundeskartellamts. Dafür allerdings schließt sie sich sehr fleißig zu immer größeren Unternehmen zusammen: In den Jahren 1991 und 1992 vollzogen 3.750 Firmen die Fusion – 800 mehr als im Zweijahreszeitraum davor, wie aus dem gestern veröffentlichten Tätigkeitsbericht des Kartellamts hervorgeht. Als Gründe für diese Zunahme nennt der Tätigkeitsbericht vor allem die deutsche Einheit und den EG-Binnenmarkt. Ein Großteil der Fusionen geht auf das Konto der Treuhand, die 1.300 ihrer einstigen Firmen von Westunternehmen übernehmen ließ. Und für den Einfluß des Binnenmarktes spreche, daß an 40 Prozent der Zusammenschlüsse ausländische Firmen beteiligt waren.

Der größere Markt macht es für Unternehmer leichter, ein Fusionsbegehren gegenüber dem Kartellamt durchzusetzen, weil kaum ein Konzern EG-weit eine marktbeherrschende Stellung erreichen könne. Den Erfolg der Kartellwächter will Wolf darum nicht an der Zahl der Fusionsverbote messen lassen – abgesehen davon, daß das angesichts von vier Untersagungen in zwei Jahren wohl ziemlich frustrierend wäre.

In den vier Fällen durfte die bayerische nicht mit der württembergischen Warenzentrale für Agrarprodukte fusionieren und der Naßrasierapparatehersteller Gillette nicht mit Wilkinson. Der Axel Springer Verlag durfte den Leipziger Stadtanzeiger ebensowenig schlucken wie Krupp den Großbacköfen-Hersteller Daub & Söhne.

Im Lebensmitteleinzelhandel hingegen mußten die Kartellwächter ihre zweitgrößte Niederlage seit der per Ministererlaubnis genehmigten Fusion von Daimler Benz und MBB im Jahr 1988 hinnehmen: die Übernahme von Asko durch den Handelsriesen Metro, der damit auch zum zweitgrößten deutschen Konzern (außer Banken und Versicherungen) hinter Daimler aufrückte. „Die 140seitige Untersagung lag schon auf dem Tisch“, erinnert sich Dieter Wolf wehmütig. Doch dann ließen sich die beiden Konzerne darauf ein, einige Baumärkte, Möbelgeschäfte und einzelne Supermärkte abzugeben, weshalb „wir leider nicht vor die Gerichte ziehen konnten“, bedauert Wolf.

Die Kartellwächter befürchten nun, daß sich für das Geschäft mit dem, was letztlich bei den vier Handelsriesen Metro, Rewe, Aldi und Tengelmann an leeren Joghurtbechern und anderem Verpackungsmüll herauskommt, neue Kartelle der Entsorgungswirtschaft bilden. Der stark wachsende Entsorgungsmarkt ziehe Großunternehmen besonders an. Zunehmend seien regionale Monopolunternehmen, an denen Länder und Kommunen beteiligt seien, beispielsweise Energieversorger. Diese haben nämlich besonders gute Karten bei der Auftragsvergabe, weil das Duale System Deutschland (DSD) sich mit den Kommunen abstimmen muß.

Deshalb versucht das Kartellamt nun, wenigstens ein Eindringen des DSD in den Bereich der Entsorgung von Verkaufs- und Transportverpackungen zu verhindern und hat gestern das entsprechende „Degi“-Konzept des DSD untersagt.

Mit dem Staat hat die Bundesbehörde nach Auffassung ihres Präsidenten ohnehin größere Probleme als mit der Wirtschaft. Es dürfe nicht sein, fordert Wolf, daß ostdeutsche Unternehmen „gegen den Markt“ erhalten würden.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Johann Eekhoff, stimmte gestern in Berlin in Wolfs Hymne auf den freien Wettbewerb ein. Regulierte Märkte sollten schnell abgeschafft werden, wozu auch der Arbeitsmarkt zähle, „das größte Kartell überhaupt“. Es sei davon auszugehen, daß das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit noch in dieser Legislaturperiode aufgehoben wird. Das schaffe zwar keinen einzigen neuen Arbeitsplatz, aber: Unternehmensberater könnten dann in den Wettbewerb der Arbeitsvermittlung eintreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen