Überfall im Osten: Vier für Bertolt

Ulm (taz) – Was ist schon ein Bankeinbruch gegen die Gründung einer solchen? So ähnlich sagte es Herr Brecht; damals, als man ihn noch las und – berücksichtigte. So ähnlich sahen es wohl auch die vier zwischen 23 und 26 Jahre alten Männer aus der heimeligen Donaumetropole Ulm. In argen Geldnöten befindlich, entschlossen sich die Gutherzigen, von der garstigen Gründung einer Sparkasse abzusehen und statt dessen lieber eine heimzusuchen. Nichts schwerer als dies: sind doch Geldinstitute im freien Westen meist so sicher vor Überfällen wie ihr großes US-Vorbild Fort Knox. Und so entdeckten in den vergangenen drei Jahren Bankräuber ihr Herz für die noch schwach bewehrten ostdeutschen Institute. Eine Bank, in einem Dorf in Brandenburg, wurde aus diesem Grunde 13mal hintereinander überfallen. Natürlich erfolgreich. Der hierdurch ausgelöste Motivationsschub verwandelte den neuen Osten dieses Landes in eine Art gigantisches Wallfahrtsgebiet der Bankräuber, in dem ihr forsches Bitten und Flehen auch stets erhört wurde. Gern hielt sich die Polizei freundlich zurück. So blieb gewöhnlich Zeit zum Rückzug in Hülle und Fülle. Doch in Herbsleben im thüringischen Landkreis Langensalza war am 14.Juni alles anders: Zwar konnten die jungen Leute ihre Tat in Ruhe ausführen und mehrere tausend Mark abräumen. Doch die Hoffnung darauf, die thüringische Polizei habe ihren Brecht nicht nur gelesen, sondern auch verstanden, erwies sich als in höchstem Maße trügerisch. Denn der schwarze Tat-BMW mit Ulmer Kennzeichen, der noch drei Tage später in der nahegelegenen Stadt Gotha seelenruhig in der Gegend herumfuhr, führte die Ordnungshüter zu einem geständigen 23jährigen. Das naive Youngster-Quartett befindet sich nun in U-Haft. Die Bankiers sind hingegen frohgemut. Wo es doch so vielen schlecht geht. Philippe André