Ohne Solidarität keine Karriere

Auch Männer müssen etwas für die Frauenförderung tun – doch warum sollten sie?  ■ Von Martina Schott

Ich habe bis auf wenige Ausnahmen selten davon gehört, daß es Männerförderprogramme gibt, und dennoch klappen sie in großem Ausmaß. Eigentlich gibt es praktisch nur Männerförderprogramme. Es geht in der Familie los, wenn Papa das größte Stück Fleisch bekommt, setzt sich in der Schule fort, wenn Jungs mehr Aufmerksamkeit erhalten als Mädchen. Es zieht sich durch die freie Berufswahl, die Mädchen häufig noch nicht möglich ist, dann setzt es sich an den Unis fort, wo es praktisch nur männliche Dozenten gibt, und kommt so richtig in Schwung, wenn das entsprechende Alter erreicht ist, um eine Familie zu gründen. Das ist uns allen klar, eine ganz alte Geschichte, schon ewig bekannt, und trotzdem ist es Frauen bisher nicht gelungen, das Geheimnis dieses Erfolges für sich zu nutzen. Verschiedene Untersuchungen belegen, daß bei Auswahlgesprächen Männer bessere Karten haben, wenn die Auswahljury paritätisch oder sogar mit einem Frauenüberhang besetzt ist. Wie kann das gehen? Warum nutzen Frauen Macht nicht zugunsten des eigenen Geschlechts aus und solidarisieren sich?

Frauenförderung – was hält mann davon?

„Was können Männer tun, damit sich für berufstätige Frauen etwas ändert? Ob sie es überhaupt wollen? Ich habe sie gefragt, die Männer, die mir in den letzten Wochen über den Weg liefen, und das Ergebnis ist lesenswert.

Der junge Konservative: Für ihn ist die Petra ein feministisches Blatt, und besonders die Seiten mit den Karrieretips für Frauen haben es ihm angetan. Er ist strikt gegen die Frauenförderung. Berufstätige Frauen sind ihm ohnehin ein Graus, weil sie sein Rollenverständnis in Frage stellen. Wenn Frauen schon arbeiten, dann dürfen sie ihm zuarbeiten, aber nicht mehr. Frauenförderung ist in seinen Augen untragbar, weil er hierin ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile sieht, die einer Gruppe von potentiellen Konkurrenten zugute kommt und nicht ihm. Das bedenkenswerte daran ist, daß aus jungen Konservativen alte Konservative werden; und wo sitzen die?

Der alte Konservative: Diesen Typ findet man praktisch in allen Organisationen. Meist ist er auch an Jahren schon etwas reifer, hat sich durch harte Arbeit und gutes Einfühlungsvermögen eine Führungsposition erobert und ist somit ein Entscheider. Er entscheidet zum Beispiel über Frauenförderpläne, über Einstellung von Personal, über die Vergabe von Finanzmitteln. Laut meiner kleinen und somit nicht repräsentativen Umfrage hat der ältere Konservative eine ähnliche Einstellung zur Frauenförderung wie die jungen Konservativen. Im Gegensatz zu diesen hat er aber auch Lebenserfahrung.

Er hat beispielsweise schon am eigenen Leib erfahren, daß es für die Karriere eines Mannes nicht gut ist, wenn keine Ehefrau ihn aktiv durch unbezahlte Arbeit unterstützt. Wie sähe die Welt aus, wenn seine Frau auch berufstätig wäre?

Er müßte wegen der Kinder früher aus dem Büro nach Hause: sehr karriereschädlich. Er könnte sich nicht voll auf seine Aufgaben konzentrieren: auch karriereschädlich. Der ältere Konservative weiß, was er an seiner Frau hat. Weil er das Lebensmodell für gut befindet, versucht er es so vielen Menschen wie möglich nahezubringen.

Deshalb kann er sich nicht für Frauenförderung einsetzen.

Der gute Freund: Für ihn ist Frauenförderung eine wichtige Sache, aber leider zum Scheitern verurteilt. In seinen Augen haben sich Frauen jahrelang für gute Konzepte die Köpfe zerbrochen, viel Energie in die Mittelbeschaffung gesteckt und scheitern dann häufig bei der Umsetzung. Also: Wieder einmal haben die Frauen etwas gemacht, während Männer sich zurücklehnten und machen ließen, um es anschließend für gut oder schlecht zu befinden. Und wieder einmal werden die Männernetzwerke wirksam, indem Umsetzung behindert wird.

„Wozu also der ganze Aufwand? Das habe ich dir doch gleich gesagt.“

Der Wissenschaftler: Jung geblieben, voll Dynamik und mit viel Verständnis für die Frauenbewegung, mit Jeans und Sakko immer auf dem neuesten Stand, betreibt Forschung. Und was hat die Wissenschaft festgestellt?

1. Der Begriff „Frauenförderung“ wird undifferenziert verwendet. Viele Leute verstehen viele verschiedene Dinge darunter.

2. Dienen die Frauenförderprogramme einzelnen Frauen bei dem Aufbau einer Karriere nach männlichem Muster, dann werden diese Frauen damit meist nicht glücklich (wie immer dieser Begriff definiert werden kann). Diese Frauen leiden darunter, daß sie keine Kinder haben oder ihren Mutterpflichten schlecht nachkommen. Sie sind oft krank, weil sie sich überlasten. Ihnen fehlt die Unterstützung durch einen Partner. Frustration ist vorprogrammiert, weil die Karriere letztendlich nicht so erfolgreich verläuft wie bei männlichen Mitbewerbern.

3. Frauen, die Mutterschaft, Partnerschaft und Beruf gut miteinander verquicken können, die haben besonders gute Lebensbedingungen, bleiben gesund, sind glücklich und leistungsfähig. [und wenn sie nicht gestorben sind..., d. s-in]

Aus diesem Grunde fördern männliche Wissenschaftler ihre Kollegin auch nicht oder nur selten. Sie wollen sie gesund und glücklich sehen. Sie schützen sie davor, sich in Forschung und Lehre auszupowern, indem sie Stellen lieber männlichen Bewerbern zukommen lassen.

Männer können etwas tun, aber warum?

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die meisten Männer sich nur dann für Frauenförderung einsetzen, wenn sie selbst einen Nutzen davon haben. Sei es ein besseres Betriebsklima, eine interessantere Arbeitsgruppe, mehr Umsatz, die Chance auf aktive Vaterschaft, eine Inspiration, neue Produktideen. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Nicht beliebig fortsetzen läßt sich das Argument: Ihr müßt uns unterstützen, weil ihr uns bisher immer Steine in den Weg gelegt habt, weil wir uns alles erkämpfen mußten, weil ihr Ausbeuter seid und nun eine Chance bekommt, bessere Menschen zu werden. Das ist langweilig, zumal wenn man davon ausgeht, daß den meisten Männern nicht einmal bewußt ist, daß sie Frauen diskriminieren und unterdrücken.

Auch Solidarität ist Frauenförderung

Wenn Frauen Frauenförderung wollen, dann müssen zuerst Frauen auch mit Frauenförderung anfangen. Konzepte erstellen und bei Männern durchsetzen, ist ein Aspekt, aber ergänzt um aktive, gegenseitige Unterstützung wäre er erfolgreicher. Sonst bleibt Frauenförderung immer nur Frauenforderung! Wir fordern etwas ein, aber wir selber fördern nicht.

Die Verwaltungswissenschaftlerin Martina Schott arbeitet als Unternehmensberaterin in Karlsruhe.