„Zu schnell unterschrieben“

■ Bischof Jan Szarek, Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen in Polen, über die Konsequenzen der neuen Asylgesetze für sein Land

Der Kontaktausschuß der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Ökumenischen Rates der Kirchen in Polen vereinbarte anläßlich eines Treffens vor kurzem in Görlitz, die innerkirchliche Zusammenarbeit in Flüchtlingsfragen auszubauen und die möglicherweise Tausenden aus Deutschland abgeschobener Flüchtlinge in den überforderten polnischen Kommunen wirksam zu unterstützen.

taz: Herr Szarek, wie ist die polnische Kirche auf die neue Situation vorbereitet?

Jan Szarek: Wir haben keine Erfahrungen mit Flüchtlingen. Seit einem Jahr haben wir einen Beauftragten im Ökumenischen Rat, der sich mit Asylfragen befaßt. Eines der jüngsten Ergebnisse ist der Erfahrungsaustausch mit der Kirche Berlin/Brandenburg. Unsere Möglichkeiten sind sehr beschränkt, weil wir kein Geld haben. Von den Mitteln, die uns der Staat zugesprochen hat, können wir eine effektive Arbeit mit Flüchtlingen nicht leisten.

Wie gehen denn die kirchlichen Gemeinden in den grenznahen Regionen mit diesem Thema um?

Die Gemeinden sind gerade in dem Gebiet Niederschlesien so klein, daß sie selbst um ihre Existenz kämpfen. Ich glaube nicht, daß sie die Betreuung von Flüchtlingen auf sich nehmen können. Es kann sein, daß die katholische Kirche Initiativen aufbaut, aber die evangelischen und orthodoxen Kirchen sind dazu kaum in der Lage.

Die jetzt in Deutschland eingeführte Drittstaatenregelung verstärkt den Druck auf Polen, an seiner Ostgrenze ebenfalls eine Mauer zu ziehen...

Ja, wir haben Tausende Bürger der ehemaligen Sowjetunion im Land, die schwarz arbeiten und handeln und so weiter. Deshalb gab es in der letzten Zeit eine heftige Diskussion, die Grenzen zu schließen. Aber es hat sich die Meinung durchgesetzt: Wenn für uns Polen überall die Grenzen offen sind, können wir sie nicht für die anderen schließen. Aber man wird die Kontrollen verschärfen.

Gibt es in dieser Frage Kontakte zu den Kirchen der östlichen Nachbarländer?

Nein, leider nicht. Meistens sind es im Osten ja orthodoxe Kirchen, und auch innerhalb der orthodoxen Kirche läuft das Gespräch zu dieser Frage noch nicht.

Fühlen Sie sich von der deutschen Asylpolitik überfahren?

Die Frage ist in der Bevölkerung und im Parlament sehr kontrovers diskutiert worden. Der Vertrag mit Deutschland wurde zu schnell unterschrieben, weil man das Geld gesehen hat und nicht die Probleme. Aber das ist die Konsequenz der offenen Grenzen. Einige Bürger fühlen sich von der neuen Lage bedroht. Aber wir werden sehen, wie sie sich in der Praxis auswirkt. Interview: Detlef Krell