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Es fehlen brandsichere Wohncontainer

Schon länger reisen 90 Prozent der Asylbewerber, die auf dem Luftwege nach Deutschland kommen, über den Frankfurter Flughafen ein. Nicht nur dort zeichnet sich, wenn ab heute das neue Asylgesetz nach Durchsetzung verlangt, ein Chaos ab.

„Es ist ein Skandal, daß der Bund Sonderlasten eines Asylverfahrens vor der bundesdeutschen Grenze ausgerechnet dem Flughafen aufbürden will.“ Der sozialdemokratische Abgeordnete Matthias Kurth geißelte vor kurzem im hessischen Landtag die Absicht der Bundesregierung, die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb einer Aufnahme- und Abschiebestelle am Frankfurter Flughafen der ohnehin wirtschaftlich angeschlagenen Flughafen AG anhängen zu wollen. Kurth sieht dadurch die Wettbewerbsfähigkeit des Rhein-Main-Flughafens gegenüber anderen europäischen Flughäfen „nachhaltig beeinträchtigt“.

Wenige Tage vor dem Inkrafttreten des sogenannten Asylkompromisses war auch nach Einschätzung des CDU-Landtagsabgeordneten Volker Bouffier am Frankfurter Flughafen „praktisch nichts vorbereitet“. Für den Christdemokraten bestand deshalb „die Gefahr, daß am 1. Juli entweder chaotische Verhältnisse herrschen oder die Gesetzesregelung einfach nicht praktiziert werden kann“. Und die Grünen im hessischen Landtag, die als einzige Fraktion den „Asylkompromiß“ kompromißlos abgelehnt hatten, feixten: „Die hektische Gesetzgebung ist ein Musterbeispiel für Schlampigkeit – und eine Zumutung für alle Beteiligten“, sagte Fraktionschef Rupert von Plottnitz.

Dabei geht es nicht nur um die Kosten in zweistelliger Millionenhöhe, die in gleichen Teilen auf die Anteilseigner der Flughafen AG — die Stadt Frankfurt, das Land Hessen und den Bund – zukommen werden. Wenige Tage vor Inkrafttreten des zum Gesetz erhobenen „Asylkompromisses“ gab es am Flughafen weder eine akzeptable Unterbringungsmöglichkeit für die avisierten rund 600 AsylbewerberInnen noch Räumlichkeiten für die Verwaltung und die „Entscheider“ – ganz zu schweigen von Verhandlungsräumen für Verwaltungsrichter, die vor Ort und letztinstanzlich im Eilverfahren eine Entscheidung über das Schicksal von Flüchtlingen herbeiführen sollen. Noch nicht einmal zusätzliche Verwaltungsrichter für die kommenden Verfahren am Flughafen stehen bislang zur Verfügung. Rupert von Plottnitz: „Schon heute steht fest, daß es vor dem Herbst weder die notwendigen brandsicheren Wohncontainer für AsylbewerberInnen noch die erforderliche Anzahl von Richtern geben wird.“

Die hessische Landesregierung jedenfalls fühlt sich von Bonn und den anderen Bundesländern im Stich gelassen. Auch wenn das Land Hessen im Bundesrat dem „Asylkompromiß“ nicht zugestimmt habe, so Innenminister Günther, wolle Hessen seine Verpflichtungen erfüllen – aber nicht alleine dafür bluten. Schließlich reisten 90 Prozent aller AsylbewerberInnen, die auf dem Luftweg kommen, über Rhein-Main in die Bundesrepublik ein. Ein Versuch des hessischen Innenministers, auch andere Bundesländer an den Kosten zu beteiligen, scheiterte schon vor Monatsfrist kläglich. Die Länderkollegen, so Günther vor dem Landtag, hätten „dankend abgewinkt“.

Auch die Anregung der hessischen Landesregierung, etwa die Flughäfen Hahn in Rheinland- Pfalz und Erdinger Moos bei München zur Entlastung von Rhein- Main gleichfalls mit Erstaufnahmeeinrichtungen zu versehen, stieß in den Staatskanzleien von Mainz und München auf wenig Gegenliebe. Beide Länder lehnten es ab, auch nur einen Teil der Aufgaben, die der Bund dem Land Hessen aufgebürdet hat, zu übernehmen.

Weil sich auf Rhein-Main tatsächlich „chaotische Verhältnisse“ (Bouffier) abzeichnen, hat die hessische CDU im Landtag für die Bundesregierung einen „Nebenkriegsschauplatz“ (Grüne) eröffnet: Schuld daran, daß am Stichtag 1. Juli am Flughafen der „Asylkompromiß“ nicht in die Praxis umgesetzt werden könne, sei die hessische Landesregierung. Seit Anfang Mai wisse die rot-grüne Landesregierung, was auf sie zukomme. Doch statt zu handeln, habe sie sich „in nutzlosen Kompetenzstreitigkeiten mit dem Bund ergangen“, ereiferte sich der Landtagsabgeordnete Bouffier.

Auch für die Freien Demokraten im Landtag sind die unterschiedlichen Positionen der Regierungsparteien SPD und Grüne in der „Asylfrage“ das „Haupthindernis“ auf dem Weg zur fristgerechten Umsetzung des „Asylkompromisses“.

Daß das Land Hessen überdurchschnittlich in die Pflicht genommen wurde, scheint inzwischen aber auch der Bundesregierung bewußt geworden zu sein. Das Land, so der Hinweis aus Bonn, könne sich die Kosten für die Unterbringung der AsylbewerberInnen ja auf dem Regreßweg bei den Fluggesellschaften zurückholen. Doch dafür, so SPD-Landtagsabgeordneter Kurth, gebe es „keine Rechtsgrundlage“: „Der Vorschlag ist weder sachgerecht noch erfolgsträchtig.“ „Die Verantwortung für Grenzsicherungsmaßnahmen“, so auch Rupert von Plottnitz, „liegt eindeutig beim Bund.“ Und deshalb müsse der Bund auch die Kosten tragen. Klaus-Peter Klingelschmitt,

Frankfurt

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