Voscheraus Möchtegern-Haushalt

■ Senat legt 17,3-Milliarden-Etat für 1994 vor / Motto: Was wäre, wenn... Von Uli Exner

„Solide, kantig, ehrlich, Mut zu Einschnitten, soziale Gerechtigkeit“: Bürgermeister Henning Voscherau griff ganz tief in seine Vorwahl-Rhetorikkiste, als er gestern mittag den Senatsentwurf für das Haushaltsjahr 1994 vorstellte. 17,3 Milliarden Mark würde eine SPD-Regierung demnach ausgeben - wenn sie nächstes Jahr noch im Amt wäre.

Das ist bekanntermaßen so sicher nicht, was wiederum ein wesentlicher Grund dafür ist, daß Voscherau überhaupt vor den Neuwahlen einen Haushalt auf den Tisch legte. Der Bürgermeister will nur allzu gern „auch in schwieriger Zeit“ Handlungsfähigkeit beweisen. Deshalb zwang er seine Kabinettskollegen nicht unbedingt zur Freude aller SenatorInnen zu einer dreitägigen Marathonsitzung, die sich am Abend des 19. September durchaus als Zeitverschwendung erweisen könnte.

Falls nicht, darf Finanzsenator Wolfgang Curilla im nächsten Jahr mal wieder so viel Kredit aufnehmen, wie's rechtlich möglich ist. Gut 1,4 Milliarden muß sich der Kassenwart leihen, um den Hauhalt ausgleichen zu können. Da das wg. Einheitskosten, Rezession und daraus folgender Steuerausfälle immer noch nicht ausreichen würde, muß er auch noch 400 Millionen Mark aus den städtischen Sparstrümpfen, im Haushalterdeutsch „Allgemeine Rücklage“ und „Grundstock“ genannt, nehmen.

Das alles zu dem Zweck, daß die geplanten Einsparungen nicht noch drastischer ausfallen müssen, was ja WählerInnen verschrecken könnte. Da fügt es sich gut, daß der amtierende Senat das hohe Kreditvolumen auch noch mit einem wirtschaftstheoretischen Überbau versehen kann. Hatte nicht John Maynard Keynes...? Richtig, der Oberguru sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik warnt vor einem allzu drastischem Zurückschrauben staatlicher Investitionen in Zeiten der Krise.

Keynes hin, Kredite her, gespart werden, das hatten die Curilla-Beamten schon lange ausgerechnet, muß im nächsten Jahr trotzdem. Und zwar so: 60 Millionen Mark bleiben in der Stadtkasse, weil die Beamten des höheren und gehobenen Dienstes im nächsten Jahr bundesweit auf Gehaltserhöhungen verzichten. 55 Millionen werden schon in diesem Jahr gespart durch pauschale Kürzungen der angesetzten Sach- und Fach- und Personalausgaben in allen Behörden.

Im nächsten Jahr sind es dann vor allem die Kultur-, Wissenschafts-, und UmweltsenatorInnen, die im Falle der Wiederwahl etwas kürzer treten müssen. Instrumentenhaus und Vogel/Janssen-Museum wurden aus den Ansätzen der Weiss-Behörde gestrichen, der Ausbau der TU Harburg verschoben, das Beschleuniger-Tomographiezentrum wird nicht mehr staatlich gefördert, und auch beim Neubau der Umweltbehörde soll Curillas Säckel geschont werden.

Dazu ein paar Einnahmen aus dem Verkauf der Feuerkasse und des Bieberhauses, und schon kann man wenigstens ein paar neue Versprechungen machen: 4.000 neue Kinderbetreuungsplätze und eine bessere Ausstattung der Polizei. Schließlich sind das Themen, die auf der Wahlkampfliste aller Parteien ganz oben stehen.