Atomkonsens ohne Parteien

■ Bündnis 90/ Die Grünen verlassen die Energie-Konsensgespräche in Bonn / Greenpeace und Umweltverbände wollen weiterreden, Gerhard Schröder auch

Berlin/Bonn (taz/dpa/AFP) – Joschka Fischer hatte genug gehört. „Die Gespräche waren auf allen Ebenen enttäuschend und unergiebig.“ Mit Ausnahme der Subvention deutscher Kohle, so Hessens grüner Umweltminister weiter, sei „kein einziges Thema substantiell erörtert worden“, die Regierungskoalition strebe offensichtlich nur einen „Konsens über die Beibehaltung der Atomkraftwerke für die nächsten 40 Jahre“ an. Auch Vorstandssprecherin Undine von Blottnitz von Bündnis 90/ Die Grünen erklärte für ihre Partei den Auszug aus den Bonner Energie-Konsensgesprächen, zu denen am Mittwoch Vertreter der Bundestagsparteien zusammenkamen. Schon vor Beginn des Treffens, das mit den Erklärungen der beiden Grünen frühzeitig beendet war, hatten mehrere hundert Betriebsräte aus Kernergieunternehmen für ihre Arbeitsplätze demonstriert. Sie zumindest durften den Eklat als Erfolgsmeldung nach Hause nehmen. Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) zeigte sich wenig beeindruckt von den Vorwürfen Fischers: „Wir arbeiten weiter an einem möglichst breiten Energiekonsens – mit allen, die daran teilnehmen wollen.“ Der Christdemokrat hatte zur Sitzung ein Papier mitgebracht, in dem die Betriebsdauer der bestehenden Kernkraftwerke auf 40 Jahre festgelegt wird. Wirtschaftsminister Rexrodt sagte, es dürfe „keinen Fadenriß“ geben. Neue, sicherere Reaktoren müßten gebaut werden dürfen: „Darauf werden wir bestehen.“

Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder, SPD, der mit dem tödlich verunglückten Veba-Chef Klaus Piltz die Konsensgespräche angeregt hatte, will sich Zeit lassen. „Wir sind keine Leute, die gleich mitrennen, wenn einer geht.“ Auch er hatte erklärt, ein Kompromiß in der Frage des Ausstiegs aus der Atomenergie sei mit ihm nicht zu haben. Schröder will nun die Sommerpause nutzen, um, „in Einzelgesprächen mit den Regierungsparteien und den Industrieverbänden herauszufinden, ob Annäherungen bei den weit auseinanderliegenden Positionen möglich sind“.

Aussichtslos ist der Versuch nicht. Wie geplant treffen sich heute abend die Umweltverbände, Gewerkschafts- und Industrievertreter zu ihrer Gesprächsrunde. Denn auch der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) geht inzwischen vorsichtig auf Distanz zur Bonner Atomlobby. In einem Arbeitspapier für die Konsensgespräche spielen Atomkraftwerke nur eine Nebenrolle unter den Problemen einer künftigen Energiewirtschaft. Vor allem müsse der Grundsatzstreit beendet werden. An erster Stelle der Forderungen des DIHT steht deshalb ein „energiepolitischer Gesamtkonsens“, der „alle marktwirtschaftlich realisierbaren Energiesparpotentiale und alle verfügbaren Energieträger“ einschließen solle. Dazu gehören nach Meinung des Verbandes auch Atomkraftwerke, aber sie können warten. An die Bonner Konsensrunde schrieb Jochen Holzer, Chef der Bayernwerke, einen erläuternden Brief. Besonders dringend ist auch ihm der Bau neuer Atomreaktoren nicht. Entscheidungen in dieser Frage seien „erst Mitte des nächsten Jahrzehnts“ erforderlich, lediglich die eine „Referenzanlage“ des neuen Framatome-Siemens-Reaktors sollte „Ende der neunziger Jahre“ genehmigt werden lassen. nh