Bundesbanker wagen Trippelschritt

■ Zentralbankrat senkt Diskontsatz auf 6,75 Prozent und Lombardsatz auf 8,25 Prozent / Schlesinger: Waigels neuestes Sparpaket „ist ein Schritt in die richtige Richtung“ / Unternehmer bleiben skeptisch

Berlin/Leipzig (taz/dpa/AFP) Die deutschen Zinsen dürfen weiter sinken. Zum vierten Mal in diesem Jahr hat der Zentralbankrat, das oberste Entscheidungsgremium der Bundesbank, gestern die Leitzinsen gesenkt: der Diskontsatz wurde von 7,25 auf 6,75 Prozent herabgesetzt, der Lombardsatz von 8,5 auf 8,25 Prozent. Der Diskontsatz ist jener Zins, zu dem sich die Geschäftsbanken bei der Bundesbank ihre Grundversorgung mit Geld beschaffen. Zum Lombardsatz, der immer über dem Diskontsatz liegt, können sich die Banken darüber hinaus mit Geld versorgen.

Wenn die Banken sich ab heute also billiger Geld beschaffen können, könnten sie dieses zu einem geringeren Zinssatz an ihre Kunden ausleihen. Wirtschaftspolitiker hofften darum gestern, daß die Unternehmer in Deutschland jetzt eher bereit sind, Kredite aufzunehmen und Investitionen zu tätigen, um die Rezession zu beenden.

Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) registrierte den Trippelschritt der Bundesbanker denn auch hoch erfreut. Der Beschluß trage gemeinsam mit den Sparplänen der Bundesregierung „zu einer Überwindung der schwierigen konjunkturellen Situation bei“, sagte er. Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger hatte zuvor in Leipzig nach der Sitzung des Zentralbankrats Waigels neueste Sparpläne als „Schritt in die richtige Richtung“ gewürdigt.

Die gegenseitigen Belobigungen von Bundesbankpräsident und Finanzminister – die sich in letzter Zeit in den meisten finanzpolitischen Fragen keinesfalls einig gewesen sind – haben vor allem Signal-Charakter an den Weltwirtschaftsgipfel der G-7 (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada). Denn die Regierungschefs dieser Länder wollen in der nächsten Woche in Tokio auch über die Rezession in der EG reden, für deren Tiefe die anderen Staatschefs zum großen Teil die deutsche Bundesbank und die Schuldenpolitik der Kohl-Regierung verantwortlich machen. Am Mittwoch hatte US- Präsident Bill Clinton die Bundesbanker zum Zinsensenken aufgefordert, damit „wir alle gemeinsam die Weltwirtschaft weiterentwickeln können“. Es sei für die USA schwierig, ohne die Hilfe anderer Länder Arbeitsplätze zu schaffen.

Bis auf Waigel und Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) sowie möglicherweise die G-7-Regierungen überzeugte der Trippelschritt gestern allerdings niemanden. Schließlich sind die Leitzinsen auch jetzt noch keinesfalls niedrig. Über Investitionen entscheiden Unternehmer außerdem gemeinhin langfristig. Und die Zinsen für langfristige Kredite sind bereits auf Niedrigstniveau, wohingegen die Leitzinsen vor allem für den Preis kurzfristiger Kredite bestimmend sind.

So sagte ein Sprecher des Verbandes öffentlicher Banken, daß die Geldpolitik der „kleinen Schritte“ angesichts der düsteren Konjunkturlage nicht das richtige Konzept sei. Auch der gestrige Beschluß werde die Zurückhaltung in der deutschen Wirtschaft nicht nachhaltig lockern.

Das meinten auch Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), die einen direkten Einfluß auf die Konjunktur nicht erwarteten. Außerdem liege die Inflationsrate immer noch sehr hoch – weshalb sich eine Zinssenkung eigentlich verbietet.

An den Devisenmärkten verlor die D-Mark direkt nach der Entscheidung des Zentralbankrates an Attraktion für die Spekulanten. Ihr Kurs gab gegenüber dem US- Dollar sofort um zwei Pfennig nach. Donata Riedel