„Schmidbauer quatscht zu viel“

■ Affäre Vöcking: Schwere Vorwürfe der SPD

Bonn (taz) – In der Affäre um den ehemaligen Kanzlerhelfer Johannes Vöcking attackiert die SPD jetzt in scharfer Form den Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU). Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Peter Struck, kündigte gestern in einem Gespräch mit der taz an, daß er in der heutigen Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) Schmidbauers Verhalten rügen werde.

Es verdichteten sich die „Hinweise“, so Struck, „daß Schmidbauer zu viel quatscht“. So spreche der Minister „umheimlich viel mit Journalisten über Spione im Umfeld von Björn Engholm“, ohne „irgendwelche konkreten Anhaltspunkte“ in der Hand zu haben. Es sei die Aufgabe von Bundeskanzler Helmut Kohl und Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (beide CDU), Schmidbauer zur Ordnung zu rufen.

Vor zwei Wochen hatte der ehemalige Abteilungsleiter im Kanzleramt, Vöcking, eingeräumt, im April 1992 einer Journalistin des Hamburger Abendblattes Hinweise auf einen Spion in Engholms Umfeld übergeben zu haben. In einem Brief an Struck versicherte Bohl diese Woche schriftlich, Vöcking habe nicht auf „Weisung“ gehandelt. Auch einen „allgemeinen Konsens, ein zugespieltes Papier über den angeblichen Spion ,Juras‘ an Dritte zu übergeben“, habe es im Kanzleramt nicht gegeben.

Struck will heute in der PKK nach Berichten fragen, Informationen über „Juras“ seien neben dem Abendblatt an weitere Zeitungen weitergegeben worden. Sollten diese Vorwürfe zutreffen, wäre dies „ein ganz schwerwiegender Vorgang, der Konsequenzen haben wird“. Er werde deshalb in der PKK dienstliche Auskünfte über diese Frage verlangen, sagte er.

In den letzten Tagen war in der SPD-Fraktion in Bonn der Unmut gewachsen, weil die Fraktionsführung in der Affäre Vöcking zu schonend mit der Regierung umgegangen sei. Unter den Innenpolitikern der Fraktion wird der Ruf nach einem Untersuchungsausschuß immer lauter. Fraktionschef Hans-Ulrich Klose lehnt dies derzeit ab. Heute wird sich der Bundestag in einer aktuellen Stunde mit der Affäre Vöcking und dem Umgang mit Geheimdienstinformationen befassen. hmt

Siehe auch Seite 4