Befund: uneindeutig

Götz Friedrichs Intendanz-Vertrag wurde soeben verlängert. Wie steht es um die Berliner Opern?  ■ Von Irene Tüngler

Der Rahmen hielt sich klein, aber fein, wenngleich öffentlich. Drei auserlesene Butter-Schoko- Kokos-Kekse lagen aufgefächert, gut gekühlte Getränke perlten in wenigen Gläsern: eine höchst dezente Veranstaltung im wohltemperierten Foyer der Deutschen Oper. Intendant Götz Friedrich unterschrieb am Donnerstag seinen Verlängerungsvertrag als Chef des Berliner Opernhauses an der Bismarckstraße. Die momentan für das Charlottenburger Kulturbürgertum horribelste Person, Kultursenator Ulrich Roloff-Momin, weilte freundschaftlich an seiner Seite. Er gab sich sicher, die Qualität und Kontinuität des Hauses bis zum 1. Juli 1999 in guten Händen zu wissen. Götz Friedrich sei viel zu erfahren und realistisch, um den Boden der Realitäten in den nächsten sechs Jahren unter den Füßen verlieren zu können. „Gern, schnell und mit Freuden“ zückte Friedrich daraufhin den Stift und signierte. Erleichterung – nicht ohne zu betonen, daß mit dieser Vereinbarung weder eine Erhöhung der Bezüge noch Versorgungsleistungen festgeschrieben worden seien.

Eine sehr schöne und mutige Entscheidung des Senators, den Signierakt in aller Öffentlichkeit ablaufen zu lassen, befand Friedrich – jetzt, bei so viel Unerfreulichkeiten in der Nachbarschaft. Einmal beim Thema, betonte der Intendant schnell, daß sein Haus bereits 1992 vorbildliche 4,2 Millionen eingespart habe und darum den symbolischen Scheck für das Schiller Theater denn doch nicht überreichen könne. Mit seiner zuverlässigen Bestallung – jetzt öffnete Friedrich nun auch noch die alte Ost-West-Beziehungskiste – hätten der Senat und der Senator ihren Willen kundgetan, die Balance im Wettstreit zwischen den beiden großen Opernhäusern in beiden Stadthälften zu erhalten. Die Kulturlandschaft im Westen der Stadt dürfe keinesfalls noch mehr gefährdet werden.

Was die Opernlandschaft im besonderen betrifft, sah die hauptstädtische Gerüchteküche ja immer mal die Komische Oper aus dem Osten im Einsparungskessel dampfen. Doch auch dort ist in allerjüngster Zeit ein neuer Mann an der Spitze der Mannschaft bestätigt worden, Herr Kost aus Köln.

Im übrigen verweist dieses Haus mit einigem Recht darauf, daß es aus seinen Ressourcen doch etliches mehr macht als das Schiller Theater. Immerhin unterhält man in der Behrenstraße mit nur einem Fünftel mehr Personal und Geld außer Verwaltung, Verwaltung und Solisten noch einen Chor, eine Ballettcompagnie und ein Orchester. Auch das Publikum, vielleicht nicht das allerallerfeinstgestylteste, kommt immer wieder gern.

Die Frage, ob und wie weit die Berliner Intendanten zu Etatspenden bereit seien, wurde auch Unter den Linden abschlägig beschieden. Am Sachmittelfonds läßt sich in der erforderlichen Größenordnung nichts abknapsen, jeder Eingriff in die Personalmittel brächte Tarifprobleme. Im übrigen, so betont Georg Quander, müsse sich wohl auch der Bund in die Pflicht nehmen lassen. Die Berliner Theater hätten heute nationale Bedeutung. Außerdem seien die großen historischen Bühnen keine Berliner Gründungen, sondern solche Preußens, der Weimarer Republik etc., in deren Rechtsnachfolge sich die Bundesrepublik und nicht der Stadtstaat Berlin sehen müßte.

Hat das Damenopfer Schiller Theater die Weiterexistenz von drei Opernhäusern langfristiger gesichert oder zieht eine Schließung jetzt weitere nach sich? Jede Prognose muß bei Strafe des Totredens oder der Lächerlichkeit unterbleiben. Alle drei Berliner Opern haben gute und weniger gute Argumente für sich: neue Verträge, alte Traditionen, akzeptable Auslastungen. Das beste allerdings äußerte jüngst Opernintendant Udo Zimmermann aus Leipzig: Ein Theater, das einigermaßen kontinuierlich mit Innovation und Leistung aufwartet, werde wohl kaum so fraglos zur Debatte oder gar vor vollendeter Tatsache stehen. In dieser Hinsicht ist der Berliner Befund uneindeutig.