Jubelfeste etc.
: Heiteres Vegetieren

■ Ein Spaziergang durch das Festprogramm von Poztupimi

Diese Stadt hat eine Geschichte, die bereits so umfangreich ist, daß es schwerfällt, ihr feiernd zu entsprechen. Andere Städte, heißt es, beneiden sie trotzdem darum. Ein Kaiser hat die Stadt, nach alten Urkunden („Poztupimi“), genau heute vor tausend Jahren verschenkt. Seither nun haben sich unermüdlich die Ereignisse förmlich überstürzt. Es ist wirklich allerhand vorgefallen. Bauten, Gärten und Plätze künden davon. Das meiste steht aber auch in den Büchern – große Taten, wichtige Daten – und braucht hier nicht weiter angeführt zu werden; der Große Kurfürst, der Alte Fritz, die Langen Kerls, das Flötenkonzert, das folgenreiche Edikt von 1685, das Abkommen von 1945... Genug, genug, da kommt man von Hölzchen auf Stöckchen. Wir können uns wirklich nicht weiter damit aufhalten. Was sich hier so alles zugetragen hat, geht, wie man so schön sagt, auf keine Kuhhaut.

Eine bewegte Geschichte von solcher Länge hat, wenn sie erst einmal vorbei ist, einiges für sich: sie erspart uns nicht nur die Mühe, die Notwendigkeit unserer Jubelfeier umständlich zu begründen, sie gibt ihr auch selbst schon einen würdigen Rahmen vor: „Das traditionelle preußische Blau, das Goldocker des märkischen Sandes und das Rot aus dem Potsdamer Stadtwappen bestimmen das Farbklima des Jubiläums. Besonders festliche Akzente können durch das Gold aus dem Stadtwappen und das Silber des Potsdamer Rokoko gesetzt werden... Bodoni. Diese klassizistische Schrift ist in der Aufklärung – einer für die Stadtentwicklung Potsdams wichtigen Epoche – entstanden.“

Die Geschichte grenzt nun allerdings leider an die Gegenwart, die im Vergleich zu ihr nicht besonders beeindruckend ist. Wüßte man es nicht besser aus den Büchern, man könnte bezweifeln, daß sie überhaupt etwas miteinander zu tun haben. Das Jubiläum hat sich zum Ziel gesetzt, solche Zweifel zu zerstäuben und „die Identifikation mit Potsdam befördern, so daß Stolz und Selbstbewußtsein der Bürger wachsen“.

Eine große und würdige Aufgabe, wie auch der Katalog weiß – „angesichts der wirtschaftlichen Probleme, der Zukunftsängste vieler Menschen und der Schwierigkeiten beim Zusammenwachsen zwischen Ost und West“. Allzu verständlich also, wenn sich da nur mäßiges Interesse an einer Diskussion mit MdB Prof. Rupert Scholz über die „Verantwortung Deutschlands in der internationalen Friedenssicherung/Deutsche Soldaten im Rahmen von UNO-Einsätzen“ regt, wenngleich die Stadt – schon der erwähnten Langen Kerls wegen – zweifellos der ideale Ort für eine solche Veranstaltung ist.

Da möchten wir vielleicht doch lieber mal einen Blick auf „Prunktabatieren Friedrichs des Großen“ werfen. Beim „Echo- Blasen“ des Polizeiorchesters ausspannen. Bei „Punk 1000“ einen kessen Pogo aufs Parkett legen. Dann wird's aber schon schwierig: Sollen wir vorher noch schnell zum „Tag der offenen Tür des Polizeipräsidiums Potsdam“, oder besser das „Bundesfinale der Tischtennis-Mini-Meisterschaften“ mitnehmen? Dann fiele freilich die „5. Schießsportwoche um den Sanssouci-Pokal“ flach! Und wer schaut sich das Rugby-Turnier, das Windhundrennen, den Vortrag über „Wehrpflicht als Verletzung der Menschenwürde“, den CB-Funkertreff, die Wasser-Ski-Schau, das afrikanische Clown-Spektakel, die interaktive Installation „Very Nervous System“, die Konferenz des „Bundesverbandes der Eisenbahnfreunde“ an? Wer läßt sich bei Bernhard Langers Gastspiel im Potsdamer Golf-Club blicken? Im Karl- Liebknecht-Stadion lockt derweil ein „Internationales Jugend-Fußballturnier“. Aber kann man dafür die „Deutschen Meisterschaften im Schutzhundesport 1993“ sausen lassen, die gleichzeitig im Ernst-Thälmann- Stadion stattfinden?

Schwierige Fragen, die sich wahrscheinlich nicht einmal beim „Potsdamer Diskurs: Zukunft Potsdams als Museum“ klären lassen. Ob es eine solche Zukunft geben wird, hängt wiederum – und da schließt sich der Kreis – wesentlich von der Bewältigung der „wirtschaftlichen Probleme“ ab: „Denn Verfall im Elend führt zum Vegetieren, doch einer im Reichtum führt zum Museum. Das Museale ist Vegetieren im Reichtum, ist heiteres Vegetieren“, wußte schon Hermann Broch. Jörg Lau