Noch schaut Pakistans Militär nur zu

■ Mit immer neuen Winkelzügen versuchen Präsident Khan und sein Rivale, Premier Sharif, den verbissenen Machtkampf für sich zu entscheiden / Keine Lösung in Sicht / Furcht vor Putsch wächst

Islamabad (AFP/taz) – Noch hält Pakistans Militär still und schaut zu, wie der Staats- und der Regierungschef des Landes verbissen um die Macht ringen. Aber die Generäle, die das Land während seiner 46jährigen Unabhängigkeit insgesamt 25 Jahre lang regierten, haben bereits begonnen, deutlich auf das von „Zivilisten angerichtete Chaos“ hinzuweisen.

Zwar hat das Oberste Gericht im Mai den zuvor von Präsident Ghulam Ishaq Khan aus dem Amt gejagten Premierminister Nawaz Sharif wieder eingesetzt. Doch dessen Genugtuung währte nur kurz: die zahlreichen Anhänger des Präsidenten unter den Ministern und im Parlament machen ihm das Leben so schwer wie möglich. In diesen Tagen geht es um die Vorherrschaft in der wichtigsten Provinz des Landes, dem Punjab. Hier leben 60 Prozent der Bevölkerung, 70 der rund 120 Millionen PakistanerInnen. Von hier stammt die politische Elite des Landes. Anfang Mai – der Premier war noch entmachtet – hatte der Präsident den Sharif-treuen Gouverneur des Punjab durch einen ihm selbst verpflichteten Mann ersetzt. Bevor der wieder amtierende Sharif diesen Schritt rückgängig machen konnte, ließ der Provinzchef, Chaudhry Altaf Hussain, kurzerhand das Provinzparlament auflösen.

Dies sei gesetzeswidrig, protestierten daraufhin die Anhänger des Premiers und behaupteten, sie hätten zuvor einen Mißtrauensantrag gegen den Chefminister des Punjab, Manzoor Ahmed Watto, eingebracht. Das Oberste Gericht der Provinz erließ eine einstweilige Verfügung gegen die Auflösung – was aber den Sprecher des Punjaber Abgeordnetenhauses nicht sonderlich beeindruckte. Er lehnte es schlicht ab, die Provinz-Parlamentarier wieder einzuberufen.

Am vergangenen Dienstag konterte Premier Sharif mit einem neuen Schachzug: mit Unterstützung des Bundesparlaments unterstellte er den Punjab der direkten Kontrolle durch seine Regierung und begründete dies mit Notstandsrechten angesichts einer nationalen Krise. Präsident Khan wurde aufgefordert, den Provinzchef zu entlassen – und weigerte sich. Der Gouverneur des Punjab erklärte am Mittwoch nach einem Treffen mit seinem Förderer Khan, er werde im Amt bleiben, bis der Präsident ihn entlasse.

Welche Winkelzüge die Beteiligten in der nächsten Runde des Machtkampfes unternehmen werden, bleibt abzuwarten. Ein politischer Ausweg aus der verworrenen Situation scheint nicht in Sicht. Die Forderung der 1990 von Ishaq Khan entlassenen Regierungschefin Benazir Bhutto nach vorgezogenen Neuwahlen fand keine Mehrheit. Sharif muß befürchten, daß die WählerInnen ihm für das Machtgerangel der Politiker, bei dem es offensichtlich nicht um die Wohlfahrt der Bevölkerung geht, einen Denkzettel verpassen würden. Seine reguläre Amtszeit dauert bis Ende 1995, während die Amtszeit des 79jährigen Präsidenten schon in diesem Dezember ausläuft.

Sowohl die Zentralregierung als auch die Provinzregierung haben die Streitkräfte aufgefordert, sich auf ihre Seite zu stellen. Bislang allerdings verhielt sich das Militär neutral. Denn auch die Armee scheint in ihren Sympathien für die beiden Rivalen gespalten zu sein und will daher niemanden stützten. Generalstabschef Abdul Waheed, der neben Präsident und Ministerpräsident als dritter starker Mann im Land gilt, versicherte noch Anfang der Woche gegenüber ausländischen Diplomaten, daß die Armee sich neutral verhalten werde.

Doch die Spekulationen über eine erneute Rückkehr der Offiziere an die Macht verstärkten sich in den vergangenen Tagen. Pakistanische Politiker und Journalisten verbringen nach eigenem Bekunden bereits „unruhige Nächte“. Ein Armeeoffizier drückte sich indessen deutlich aus: „Wir Militärs werden zehn Jahre brauchen, um Ordnung in die Mißwirtschaft zu bringen, die die Zivilisten in ihren fünf Jahren an der Macht angerichtet haben.“ li