Realpolitische Bauchlandung

US-Haushaltsvorlage: Vom ursprünglichen Aufschwungpaket bleibt kaum etwas / Nur das Pentagon muß nicht sparen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Zugegeben, es klang von Anfang an nach einem sehr gewagten Unterfangen. Noch voller Reformeifer und mit einem Restbestand von Siegeseuphorie im Blut hatte Bill Clinton im Februar der Nation sein Wirtschaftsprogramm mit der Zauberformel präsentiert: Gleichzeitig die Wirtschaft durch Konjunkturprogramme anzukurbeln und das Haushaltsdefizit durch Einsparungen zu reduzieren. Rund fünf Monate später hat sich eine etwas modifizierte Version durchgesetzt: Das Konjunkturprogramm ist faktisch auf Null reduziert. Am Donnerstag hatte der US-Kongreß dem Weißen Haus eine Ausgabenvorlage zur Unterschrift gereicht, die kaum noch Ähnlichkeiten mit jenem „Stimulus Package“ aufweist, mit dem Bill Clinton vor wenigen Monaten noch 500.000 Arbeitsplätze und bessere soziale Leistungen schaffen wollte. 16 Milliarden Dollar hatte Clinton ursprünglich in seiner eigenen Gesetzesvorlage gefordert, die jedoch im April von der republikanischen Opposition im Senat zu Fall gebracht wurde; 3,5 Milliarden Dollar an Neuausgaben hat ihm nun das Parlament genehmigt.

Bei näherem Hinsehen erweist sich, daß selbst diese Summe nur teilweise für die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorgesehen ist. Am härtesten sind von diesem Sparzwang die Großstädte in den USA betroffen, die eigentlich mit einer Finanzspritze gerechnet hatten, um Hunderttausende von jungen Amerikanern während des Sommers mit Jobs und Trainingsprogrammen zu versorgen. Dieses Programm dient in erster Linie einer zumindest kurzfristigen sozialen Befriedung: Man will Gewaltexplosionen wie vor einem Jahr in Los Angeles vermeiden. Doch von Clintons Sommer-Job-Programm in Höhe von einer Milliarde Dollar hat der Kongreß nun gerade 220 Millionen Dollar übriggelassen.

Stadtverwaltungen und die Clinton-Administration hoffen nun auf das gute Herz der Privatwirtschaft: Fast-Food-Ketten, Computerfirmen oder Vergnügungsparks sind nun aufgerufen, Jugendliche über die Sommermonate zu beschäftigen. Bundeshilfe gibt es sonst nur noch für die Polizeiverwaltungen der Städte: Sie dürfen 150 Millionen Dollar unter sich aufteilen. Das FBI erhält 32 Millionen Dollar zur Terroristenbekämpfung. Doch den größten Bissen gönnten die Parlamentarier dem Pentagon, um die Kosten für Militäreinsätze in Somalia und im Irak zu begleichen.

Einige der von Clinton vorgesehenen Ausgaben sind im Kongreß außerhalb des nun verabschiedeten 3,5 Milliarden Dollar-Pakets abgestimmt worden. Doch auch hier ist der Rotstift nicht zu übersehen: Statt der veranschlagten 326 Millionen Dollar zur Impfung von Kindern genehmigten die Abgeordneten nur rund 100 Millionen Dollar — ungeachtet der Tatsache, daß fast die Hälfte aller Kinder unter zwei Jahren in den USA nicht ausreichend geimpft sind. Statt der von Clinton geforderten 660 Millionen Dollar für Reformprogramme im Erziehungswesen gewährte der Kongreß nur rund 130 Millionen Dollar.

Am Ende versuchte Clintons Budgetdirektor Leon Panetta gute Miene zum bösen Spiel zu machen und erklärte, die Regierung habe „unter sehr schwierigen Umständen“ noch ganz gut abgeschnitten. Doch letztlich weiß jeder in der Administration: Die Keynesianischen Höhenflüge, in denen mit Straßenbau, Umweltschutz und High-Tech-Projekten das „Investitionsdefizit“ ausgeglichen und 500.000 Arbeitsplätze geschaffen werden sollten, endeten mit einer realpolitischen Bauchlandung: Mit dem Schlagwort der „Defizitbekämpfung“ läßt sich gegenwärtig fast jedes staatliche Ausgabenprogramm kippen. Und dies, obwohl die Arbeitslosenquote bei etwa 7 Prozent liegt und keinerlei Besserung in Sicht ist. Ökonomen streiten sich inzwischen über die Frage, ob es sich in den USA nur um einen sehr zähen Aufschwung aus der Rezession handelt — oder ob es vielleicht gar keinen Aufschwung gibt.