Schlesinger stützt Maastricht-Kläger

■ Verfassungsgericht verhandelt in Karlsruhe Europäische Union

Karlsruhe (taz) – Die geplante Währungsunion stand im Mittelpunkt des zweiten und letzten Tages der Verhandlungen des Verfassungsgerichts über den Maastricher Vertrag. Der nationalliberale FDP-Politiker Manfred Brunner hatte in seiner Verfassungsbeschwerde behauptet, mit diesem Schritt werde die deutsche Staatlichkeit aufgehoben. Eine Währungsunion könne ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik nicht gelingen, deshalb seien weitere umfassende Integrationsschritte im Masstrichter Vertrag praktisch vorgezeichnet.

Der als sachveständiger geladene Bundesbankpräsident Schlesinger leistete dem Kläger bei dieser Argumentation (un-)freiwillige Schützenhilfe. Erneut wies er darauf hin, daß es nach Auffassung der Bundesbank währungspolitisch sinnvoller gewesen wäre, der Währungsunion eine Wirtschaftsunion vorzuschalten. „Es gibt ohnehin nur wenige Währungsunionen ohne politische Vereinigung“ referierte Schlesinger, „soweit diese funktionieren, wie im Beispiel Belgien/Luxemburg besteht gleichzeitig auch eine Wirtschaftsunion. Andere Präzedenzfälle sind bislang gescheitert“. Schlesinger verwies dabei auf einen früheren Versuch Syriens und Ägypten.

Doch Brunner gab sich damit nicht zufrieden. Derzeit erfüllt nur Luxemburg überhaupt die strengen Kriterien für die Währungsunion. Deshalb befürchte ich, daß diese Kriterien solange aufgeweicht werden, bis tatsächlich eine relevante Anzahl von Mitgliedsstaaten teilnehmen kann. Denn die Währungsunion sei das Herz des Maastrichter Vertrages, argumentierte Brunner.

Auch hier fiel Bundesbankpräsident Schlesinger der Bundesregierung indirekt in den Rücken. Er schlug vor, beim Kriterium der absoluten Höhe der Staatsverschuldung, die nach dem Maastrichter Vertrag 60 Prozent des Bruttosozialproduktes (BSP) nicht überschreiten darf, etwas großzügiger zu sein „Es müßte auch ausreichen, wenn sich ein Staat um Senkung der absoluten Schuldenlast bemüht. Das ist schwierig genug“, meinte Schlesinger. Verfassungsrechtliche Relevanz bekommen derartige Überlegungen durch die Argumentation Brunners, eine Währungsunion mit „unsicheren Kantonisten“ führe zu wirtschaftlichen Krisen, insbesondere in den schwächeren Staaten. Dies aber mache große Transferzahlungen, insbesondere der „reichen Bundesrepublik“ erforderlich.

Auch damit aber, so daß erneute Lamento Brunners, werde die deutsche Staatlichkeit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Den hinter Brunner sitzenden vier grünen Europaabgeordneten Telkämper, Breyer, Roth und Graefe zu Baringdorf war bei dieser Argumentation sichtlich unwohl. „Wir sind selbstverständlich für europäischen Finanzausgleich“, beeilte sich ihr Prozeßvertreter Hans- Christian Ströbele klarzustellen.

Die Grünen MaastrichklägerInnen argumentierten deshalb bezüglich der Währungsunion auch nicht mit einem drohenden Verlust deutscher Staatlichkeit, sondern mit einer Verletzung des ebenfalls unabänderlichen Demokratieprinzips des Grundgesetzes. „Eine so weitreichende Umformung unseres Wirtschafts- und Finanzgefüges könnte nur durch einen Volksentscheid legitimiert werden“, erklärte Wilfried Telkämper. „Allerdings würden wir in einem derartigen Volksentscheid für eine Ablehnung des Maastrichter Vertrages werben, denn wir wollen ein Europa ohne Demokratiedefizite“, fügte Telkämper hinzu.

Bundesfinanzminister Waigel (CSU) hatte am Vortag vor den acht Verfassungsrichtern betont, daß der Maastricht-Vertrag der Währungsstabilität absoluten Vorrang einräume. Eine Aufweichung des Konvergenzkonzepts könne auch im Lichte der derzeitigen konjunkturbedingten Verschlechterung der Haushaltslage nicht in Betracht kommen.

Am Schluß der Verhandlung zeigten sich die Grünen zufrieden mit dem Verlauf des Verfahrens. “Es ist uns gelungen, zum ersten Mal auch in Deutschland eine öffentlichkeitswirksame Debatte über den Maastrichter Vertrag zu iniziieren“, erklärte Telkämper. Mit dem Urteil wird frühestens im September gerechnet. Christian Rath