Energiekonsens: Umweltverbände verhandeln

■ Neue Gesprächsrunde mit Industrie- und Gewerkschaftsvertretern in Bonn

Berlin/Bonn (taz/dpa) – Das Anti-Atom-Transparent, das Greenpeace an der niedersächsischen Landesvertretung aufgehängt hatte, schreckte die Energielobby nicht von dem Termin ab: Gestern nachmittag trafen sich Vertreter der Industrie und der Gewerkschaften mit den Umweltverbänden zu einer neuen Runde der sogenannten Energie-Konsens-Gespräche. Die Konferenz dauerte bei Redaktionsschluß noch an.

Noch am Mittwoch hatten Hessens Umweltminister Fischer und die Vorstandssprecherin von Bündnis 90/Grüne den energiepolitischen Dialog für gescheitert erklärt, den letzten Dezember Niedersachsens Ministerpräsident Schröder und der damalige Veba- Chef Piltz angeregt hatten. Greenpeace, BUND und die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs möchten unter bestimmten Bedingungen weiterverhandeln. Sie werfen den Parteien in einem gestern veröffentlichten Grundsatzpapier vor, „in tradierten Ideologien befangen“ zu sein.

Ein kaum verhülltes Lob für die Industrievertreter, die sich ohne Parteipolitiker an den Verhandlungstisch gesetzt hatten: bei ihnen haben die Umweltverbände wenigstens „phasenweise durchaus eine ernsthafte Bereitschaft zur Debatte“ entdeckt. Der Wunschtraum des Vorstandschefs der RWE-Energie AG, der Atomtochter des Düsseldorfer RWE- Konzerns, kann damit freilich nicht gemeint sein: Dietmar Kuhnt möchte höchstens darauf verzichten, deutsche Atommeiler bis zu 60 Jahre lang laufen zu lassen – 40 Jahre müßten sie dann aber schon am Netz bleiben dürfen, sagte er gestern.

Weit realistischer formuliert das Papier der Umweltverbände den Rahmen möglicher Vereinbarungen mit den Energieversorgern. Lediglich die Debatte um die „Option auf den Neubau von Reaktoren“ müsse umgehend beendet werden – Entscheidungen in dieser Frage sind auch nach Meinung des Deutschen Industrie- und Handelstages erst im nächsten Jahrzehnt fällig. Bis dahin, verlangen die Umweltverbände, müßten sich die Gesprächsteilnehmer nur darauf „verständigen, daß über den Ausstieg aus der Atomenergie und die notwendigen Rahmenbedingungen“ wenigstens diskutiert werde.

Zu diesen – verhandelbaren – Bedingungen gehört neben Energiespartechniken und modernen Kohlekraftwerken auch das Angebot, die Subvention der Ruhrkohle auslaufen zu lassen: ein alter Herzenswunsch der Energieversorger wäre damit erfüllt. nh