Jünger, besser, mehr trainieren

■ Fußball-Europameisterschaft der Frauen: Nach dem 1:3 gegen Dänemark ist das deutsche Team bitter enttäuscht über den ungewohnten vierten Platz

Cesenatico (taz) – Martina Voss entwickelt sich mehr und mehr zur Mutter der Fußballnation. Längst nicht mehr so wieselflink wie noch vor kurzer Zeit betrat die im siebten Monat schwangere Siegener Flügelflitzerin dieser Tage die italienischen Spielfelder. Allerdings meist erst nach Spielschluß und dann, um einer ungewohnten Beschäftigung nachzugehen: dem Trösten erfolgsverwöhnter deutscher Kickerinnen. Denen sind nach vier Jahren permanenten Erfolges beim Versuch, den Europameistertitel zum zweiten Mal zu verteidigen, am Ende nur Frust und Erklärungsnotstand geblieben.

Nachdem am Samstag auch noch das Spiel um Platz drei gegen die Däninnen mit 1:3 verlorengegangen war, wollte selbst der nicht gerade als krankhaft ehrgeizig zu bezeichnende Gero Bisanz eine gewisse Unzufriedenheit nicht verschweigen. „Natürlich“, mußte der DFB-Trainer zugeben, „ist es ärgerlich, wenn man von vier Mannschaften vierter wird.“ Ganz besonders dann, wenn man gewohnt ist zu gewinnen.

Aber, vermuteten der 59jährige und die gleichberechtigte Führungskraft Tina Theune-Meyer unisono: „Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die einfach noch nicht so weit ist.“ 23 Jahre zählt die mit Abstand jüngste Truppe dieser Endrunde im Durchschnitt, genau die Hälfte der sechzehn Spielerinnen waren in Dänemark vor zwei Jahren noch nicht dabei. Beim DFB heißt man dies einen Neuaufbau, und somit, hofft Theune-Meyer, „ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn wir jetzt noch nicht wieder absolute Spitze sind.“

Die „wilden Jahre“ jedenfalls sind demnächst endgültig vorbei: Die Bernhard, Pohlmann, Bornschein, Meinert sind alle gerade 20, 21 und mithin die ersten weiblichen Talente, die organisiert von frühester Jugend an gefördert und geschult, im U 16- und U 20-Sieb hängengeblieben sind. Und die eigentlich, wie Theune-Meyer findet, bereits vieles mitbringen, im Nationaldreß aber diesmal noch anderen die Verantwortung überließen.

Silvia Neid zum Beispiel, 29 Jahre und seit 1987 Kapitänin. „La Neid“, wie sie Italiens Gazetten hochachtungsvoll exponieren, gehört zum Kickerinnen-Inventar seit dem Urknall 1982, hat von insgesamt 85 nationalen Begegnungen 72 mitgemacht und ist die zentrale Spielerin im offensiven Mittelfeld. „Wenn die“, analysiert Theune-Meyer, „mal nicht ins Spiel kommt, sieht es ganz böse aus.“ Und? Sowohl gegen die Italienerinnen im Halbfinale als auch gegen Dänemark kam die Blonde überhaupt nicht ins Spiel. Und somit war die siegnotwendige Vebindung zwischen den eigentlichen Ausnahmekickerinnen im deutschen Team gekappt. Da der konservativ-brave Bisanz taktische Spielereien dem Gegner zu überlassen pflegt und sein Team stets im guten alten 4-3-3 antreten läßt, „weil wir nur stürmen können“, hängt halt alles von der Befindlichkeit der mutmaßlich besten Kickerinnen Europas ab. Jener der Libera Doris Fitschen (TSV Siegen) und jener von Mittelstürmerin Heidi Mohr (TSV Niederkirchen). Doch Fitschen (24) durfte nur bei Eckstößen oder wenn, wie gegen die Däninnen, längst alles verloren war, zu ihren Sololäufen ansetzen, und die Instinktfußballerin Mohr (26) bekam zu selten die Bälle, die sie braucht, um in der nächsten Sekunde das alles entscheidende Tor zu schießen. Und ging zudem ungewohnt großzügig mit ihren wenigen Chancen um.

Jünger trainieren, besser trainieren, mehr trainieren, heißt es jetzt für Tina Theune-Meyer. „Vielleicht“, hofft sie, sind wir dann 1995 schon wieder vorne.“ Dann nämlich stehen EM und WM im selben Jahr an. Peter Unfried