: Aristide darf nach Haiti zurückkehren
■ Der gewählte Exilpräsident Haitis und der herrschende Putschist Cedras unterzeichnen nach einwöchigen Verhandlungen ein Abkommen / Rückkehr Aristides am 30. Oktober, Amnestie für die Putschisten
New York (AFP/wps/taz) – Zum ersten Mal in der Geschichte des amerikanischen Kontinents wird ein durch einen Militärputsch entmachteter gewählter Präsident wieder in sein Amt eingesetzt. Am 30. Oktober soll Jean-Bertrand Aristide, der erste frei gewählte Präsident Haitis, der Ende September 1991 von der haitianischen Armee gestürzt und ins Exil getrieben worden war, wieder Staatschef des kleinen Karibikstaates werden. Darauf einigten sich Aristide und die Militärs am Wochenende bei Verhandlungen unter UNO-Vermittlung auf Governors' Island vor New York.
Der Zehn-Punkte-Plan der UNO sieht vor, daß ein Dialog zwischen allen politischen Parteien des Landes geführt wird. Aristide soll noch in seinem US-Exil einen neuen Ministerpräsidenten bestimmen, der Haiti bis zu seiner Rückkehr am 30. Oktober führen wird. Kurz vor der Ankunft Aristides sollen die Armeeführung und der Polizeichef des Landes zurücktreten. Aristide mußte im Gegenzug eine Amnestie für alle Militärs garantieren, die an dem Putsch gegen ihn beteiligt waren.
Der UN-Sicherheitsrat wird seinerseits das rigide Öl- und Waffenembargo gegen das ärmste Land Amerikas aufheben, das er vor rund zwei Wochen verhängt hatte, um die Rückkehr Aristides zu erzwingen. Danach sollen UN-Mitarbeiter technische Hilfe auch für Verwaltung und Justiz leisten, die Streitkräfte und die Polizei werden umstrukturiert. Die UNO und die „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) sollen die Ergebnisse des Prozesses überprüfen.
Die Einigung drohte noch am Samstag an der Haltung Aristides zu scheitern. Unter anderem wollte er bereits am 15. August nach Haiti zurückkehren. Aristide wandte sich auch dagegen, daß die zurücktretenden Militärführer nach dem Abkommen nicht unbedingt in Pension gehen müssen, sondern auf andere Posten versetzt werden können. Einige von ihnen könnten dann erneut führende Positionen erlangen, da Aristide nicht die gesamte Militärspitze ernennen soll, sondern nur den obersten Militärkommandanten, der dann „im Einklang mit der Verfassung“ den neuen Generalstab ernennt. „Das war für uns ein Schock“, sagte Aristide-Berater Robert White. Doch US-Vermittler Lawrence Pezzullo suchte Aristide mit dem Hinweis zu beruhigen, er könne die alten Militärführer „überallhin auf der Welt“ versetzen und damit loswerden.
Da das Problem damit nicht gelöst war, verlangte Aristide Garantien, daß alle Mitglieder des Armee-Oberkommandos den Plan annehmen würden. Dadurch verzögerte sich die Unterzeichnung des Plans, die ursprünglich für Samstag vorgesehen war. Erst neun Stunden später als erwartet setzte am Sonntag morgen auch Aristide seine Unterschrift unter das Abkommen, das zuvor bereits von Cédras unterschrieben worden war. Offenbar hatten die UNO- und US-Vermittler mehr oder minder deutlichen Druck auf Aristide ausgeübt.
Weder Cédras noch Aristide scheinen mit der Vereinbarung besonders glücklich zu sein. Die Unterzeichnung des Abkommens durch Cédras fand in düsterer Atmosphäre statt, und gleich danach flog der Armeechef nach Haiti zurück. Als Aristide um 11 Uhr abends (Ortszeit) ebenfalls zur Unterschrift erschien, machte er einen mißtrauischen Eindruck. Sein „Botschafter“ vor der US-Regierung und vor der UNO, Jean Casimir, warnte gestern, daß „das Abkommen scheitern“ werde, wenn „die Menschenrechte in Haiti nicht mit höchster Aufmerksamkeit“ überwacht würden. Haiti-Vermittler Caputo bezeichnete die Einigung als „die notwendige Basis, um den Prozeß des demokratischen Übergangs in Haiti zu beginnen“.
Der „Prozeß des demokratischen Übergangs“ soll noch diese Woche mit ersten Gesprächen aller politischen Parteien Haitis beginnen. Bei den Verhandlungen, die möglicherweise in Washington stattfinden, soll über die Neuzusammensetzung des Parlaments beraten werden. D.J.
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