Frau, Freude, Eierkuchen

Auf der Düsseldorfer Frauenmesse „top 93“ war für jede Frau etwas dabei, aber der eigene Grips war nicht gefragt / 25.000 BesucherInnen, davon sechs Prozent Männer  ■ Aus Düsseldorf Christine Berger

„Mann“ ist entsetzt. Kaum hat Erwin K. die Düsseldorfer Messehallen betreten, fühlt er sich bedroht. Eine ganze Armada von bewaffneten Frauen stellt sich ihm auf jeweils etwa drei Meter großen Plakatwänden entgegen. Unter finsteren Gesichtern sind Texte wie folgender zu lesen: „Mein Feind ist mein Kumpel. Der will immer mit mir bumsen. Ich würde ihn erstechen, wenn er wach ist. Damit er's mitkriegt!“ In Erwin K. wallt das Blut. „Was ist denn das für eine Sauerei!“ schreit er und faucht auch noch seine Frau an, weil er von Anfang an dagegen gewesen sei, auf so eine Frauenmesse zu gehen.

„Es haben sich schon einige Männer hier beklagt“, erklärt Adelheid Kilian vom Messestand des Frauenmuseums Bonn. Die Frauenportraits mit den kämpferischen Untertiteln stammen von der Fotografin Bettina Flitner und sind Teil einer Ausstellung von Frauenkunst in Halle 6. „Wenn Männer emotional so stark darauf reagieren, muß ja etwas Wahres in den Aussagen stecken“, meint Kilian. Sie gibt allerdings zu, daß die Geschichte dieser Bilder nirgendwo erklärt wird. Nach den Massenvergewaltigungen in Bosnien war die Künstlerin in die Kölner Innenstadt gegangen und hatte wahllos Frauen fotografiert, ihnen Plastikwaffen in die Hand gedrückt und nach ihrem persönlichen Feindbild befragt.

Doch Erwin K.'s Angst, die top 93 sei womöglich eine radikale Vereinigung von Frauenprojekten, ist gänzlich unberechtigt. Von der Arbeiterwohlfahrt über das Frauenkulturbüro Nordrhein- Westfalen und Philips bis zur 2005 Werbung und Direktmarketing GmbH – 300 AusstellerInnen haben hübsch in Reih und Glied vom 1. bis 4. Juli in den insgesamt drei Messehallen Stellung bezogen, winken mit bunt gestalteten Prospekten und verteilen Kugelschreiber und Kekse unter die BesucherInnen. Diese sind nach einer unrepräsentativen Kurzumfrage der taz zumeist zufrieden mit dem Angebot. So antwortet eine arbeitslose Biologin aus Bielefeld auf die Frage, was ihr auf der Frauenmesse bislang am besten gefallen habe: „Die Menstruationsbinden aus Seide, die kannte ich vorher gar nicht.“

Themen wie Frauenförderung oder gar Karriere, mit der die MesseveranstalterInnen geworben hatten, um der top 93 eine gesellschaftspolitische Relevanz zu verleihen, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Die Leistungsschau, wie sie häufig auch bei Kaninchenzüchtervereinen beliebt ist, steht im Vordergrund. Alles was im weitesten Sinne mit Frauen zu tun hat, wird präsentiert, unter anderem Karriereberatung, Erfinderinnen und pro familia.

Am meisten Betrieb ist an jenen Ständen, wo es etwas zu gewinnen gibt. Regelrecht belagert wird der Cosmopolitan-Stand. Dort füllen Frauen eifrig einen Fragebogen zum Thema „Konkurrenz unter Frauen – wie gehen Sie damit um?“ aus. Unter den Teilnehmerinnen werden Trainee-Seminare verlost. Gleich nebenan wartet eine Versicherungsgesellschaft, die sich auf Frauen spezialisiert hat, auf Kundinnen. Ob in ihrer Firma Frauen Karriere machen? „Eine ist in den Aufsichtsrat aufgerückt“, meint die Standdame nach reiflicher Überlegung.

Eher auf verlorenem Posten steht der schmale Emma-Stand, eingekesselt von ausladenden Schmuck- und Kleiderständen. „Es ist erschreckend, welches Bild hier vermittelt wird – als würden alle selbständigen Frauen Seidentücher bemalen und Schmuck verkaufen“, empört sich Barbara Peters, zuständig für Vertrieb und Werbung bei der Frauenzeitschrift. Wenn es nach ihr ginge, hätten diese Firmenstände nichts auf der Messe zu suchen.

Der Deutsche Bundestag hat sich mit einem riesigen Stand breitgemacht. Zwischen Info-Wänden zu Themen wie „Frauen im Abgeordnetenhaus“ sitzen zwei junge Männer. Sie arbeiten für weibliche Abgeordnete und müssen dies auf der top 93 unter dem Motto „Mein Chef ist eine Frau“ zum besten geben. „Ich empfinde das überhaupt nicht als was Besonderes“, meint Stefan Ramge, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abgeordneten Konstanze Wegner. Die Frage, was er eigentlich hier soll, hat er sich deshalb schon öfter gestellt.

Highlight in Halle 6 ist am Freitag nachmittag Dr. Regine Hildebrandt. Unter dem Titel „Aus Schiete Konfekt machen“ heizt die brandenburgische Arbeits-, Sozial- und Frauenministerin dem überwiegend aus Frauen bestehenden Publikum ein. Sie drischt auf die gegenwärtig wieder aktuelle „Frauen zurück an den Herd“-Ideologie, daß es nur so kracht, fordert das Revival der Betriebskindergärten und gibz im gleichen Atemzug einen Schnellkurs in Sachen Frauenbewegung für die Ost- Frauen. Die SPD-Frau kommt auf dieser Messe mit ihrem Show-Talent voll auf ihre Kosten, zumal es sowohl im Publikum als auch auf dem Podium so gut wie keine Männer gibt, die widersprechen könnten. Überhaupt sind überall da, wo auf Forumsebene zu Frauenthemen disktuiert wird, die Sitzreihen gut ausgelastet. Allerdings folgen nur wenige Besucherinnen den Diskussionsrunden von Anfang bis Ende. Frau hört mal rein, entlastet die Beine für eine Weile und zieht dann wieder weiter, um vielleicht noch an einem der nächsten Stände ein Schnäppchen zu machen.

Das geht am leichtesten bei den großen Ausstellernamen wie Porsche, Telekom oder Philips, wo Kugelschreiber und Aufkleber großzügig verteilt werden und auch die lieben Kleinen mit Luftballons versorgt werden. Ganz nebenbei wird auch noch schnell auf die idealen Karrierebedingungen für Frauen in der betreffenden Firma aufmerksam gemacht.

Mehr Schein als Sein müssen und können sich nur die finanzstarken AusstellerInnen leisten, was nicht zuletzt an den teuren Standmieten liegt. 600 Mark durfte die Düsseldorfer Frauenzeitschrift LiBerta hinlegen, um am zugigsten Ende der Halle 5 Stellung zu beziehen. Mangels geeigneter Abstellflächen stapeln sich die Probeexemplare auf dem Fußboden. „Jeder Stuhl kostet hier eben was“, meint LiBerta-Frau Ute Schmidt, die deshalb den ganzen Tag stehen muß. Aber so ist das eben auf Messen: Wer viel Geld hat, steht im Vordergrund, auch auf der top 93.