Polizist bezeugt: Es war Mord

■ Das BKA erklärt, Wolfgang Grams habe, bevor er starb, den GSG-9-Beamten erschossen

Berlin (taz) – Die Angaben einer Augenzeugin, nach denen das mutmaßliche RAF-Mitglied Wolfgang Grams bei der Schießerei auf dem Bahnhof in Bad Kleinen am Sonntag vor einer Woche gezielt und aus nächster Nähe erschossen wurde, werden inzwischen auch von einem auf dem Bahnhofsgelände eingesetzten Polizeibeamten bestätigt. Gegenüber dem Spiegel erklärte der neue Zeuge, der namentlich nicht genannt werden wollte, zwei Beamte der Anti-Terror-Sondereinheit GSG 9 hätten den schon verletzten Grams zu Boden geworfen. Der so Überwältigte sei auf der linken Körperseite gelegen, „ein Beamter kniete auf ihm“. Wolfgang Grams hätte auch keine Möglichkeit gehabt, seine Waffe zu erreichen. Diese habe etwa zwei Meter von ihm entfernt gelegen. Grams habe auch „keinerlei Gegenwehr geleistet“. Nach etwa zwanzig Sekunden, so der Beamte, „ist dann der tödliche Schuß gefallen. Ein Kollege von der GSG 9 hat aus einer Entfernung von Maximum fünf Zentimeter gefeuert“.

Die Schweriner Staatsanwaltschaft erklärte, nach den neuesten Erkenntnissen „können wir ausscheiden, daß Herr Grams sich selbst getötet hat“. Die Behörde bemühe sich derzeit um die wörtliche Aussage und den Namen des vom Spiegel zitierten Beamten sowie um Hinweise auf die Identität des beschuldigten GSG-9- Mannes.

Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden dementierte gestern, daß der in Bad Kleinen getötete 25jährige GSG-9-Beamte Michael Newrzella durch einen Querschläger aus der Waffe eines Kollegen ums Leben gekomen ist. Der Vizepräsident des BKA, Gerhard Köhler, erklärte unter Berufung auf das Obduktionsergebnis, Newrzella sei viermal getroffen worden. Der tödliche Schuß sei dabei von vorne in die Brust eingedrungen. Im Schußkanal sei ein Teilmantelgeschoß sichergestellt worden, „das nicht aus einer bei der GSG 9 verwendeten Waffe stammt“. Der Beamte sei von Grams bei seiner Verfolgung erschossen worden.

Nach einem Bericht des BKA wurden bei der Schießerei insgesamt 44 Schüsse abgegeben. Elf davon habe Grams, 33 die GSG-9-Beamten aus sechs Waffen abgegeben. Wie dpa gestern meldete, bestreiten alle eingesetzten GSG-9-Beamten weiterhin, einen gezielten Schuß aus nächster Nähe auf Grams abgefeuert zu haben.

Wie der Spiegel weiter berichtet, hätten die Beamten „von ganz oben“ Order erhalten, über den Einsatz zu schweigen. Dem Nachrichtenmagazin zufolge soll es sich bei dem „dritten Mann“, der sich in der Bahnhofsgaststätte mit Grams und der später festgenommenen Birgit Hogefeld getroffen hat, um einen V-Mann „Klaus“ des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes handeln. Der Informant, ein Angestellter, habe sich der Szene als Unterstützer angedient und das Vertrauen von Birgit Hogefeld erworben. Aus seinen Hinweisen hätte das BKA vom konspirativen Treffen von Hogefeld und Grams in Bad Kleinen erfahren.

Der Bonner Innenausschuß wird sich wahrscheinlich in dieser Woche zum dritten Mal mit Vorgängen von Bad Kleinen befassen. Der Ausschußvorsitzende Bernrath (SPD) forderte den Generalbundesanwalt von Stahl auf, seine Kenntnisse wirklich auf den Tisch zu legen. Von Stahl hatte bereits zweimal vor dem Ausschuß ausgesagt, sich dabei aber auf Geheimhaltung aus ermittlungstaktischen Gründen berufen. wg

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