Thailand im Viertel

■ Fahrrad-Rischhas: Bremer in neuem Gewand / Jux für Hochzeiten und Kindergeburtstag

Thailand im Viertel

Fahrrad-Rikschas: Bremer in neuem Gewerbe / Jux für Hochzeiten und Kindergeburtstag

Am Anfang hat sich Torsten (28) geniert, wenn ihn alle Leute anstarrten. Torsten, Friseur und Elektriker ohne Arbeit, fährt eine Rikscha. Allmählich findet er in seine Aufgabe hinein, trägt bei der Arbeit Frack und Zylinder und spricht jetzt Passanten auch schon mal an, ob sie Lust auf eine kleine Probefahrt hätten. Ohne gutes Zureden setzen sich die BremerInnen nämlich nicht in das 103 Zentimeter breite Gefährt. Hinterher sind sie umso begeisterter: Zwischen roten Plastikpolstern und unter rotem Plastikhimmel, rechts und links Messingestänge, bei Bedarf durch ein Rollo vor zudringlichen Blicken geschützt durch die Innenstadt kurven — ein ungewohntes Vergnügen.

Vor fünf Tagen hat Torsten den Rikscha-Service beim Gewerbeamt angemeldet und endlich auch eine Versicherung gefunden, bei der er eine Insassenschutzversicherung abschließen konnte. Am Wochenende bereits fuhr er auf dem Osterdeich Reklame, jetzt klingelt in der kleinen Wohnung in der Straße Auf den Häfen das Telefon. Mittlerweile hat sich die Familie einen Anrufbeantworter gekauft, damit Anna (14 Monate) Mittagsschlaf halten kann. Die nächsten Wochenenden sind schon ausgebucht: Domtreppenkehrer oder Hochzeit-Gesellschaften verlangen die Dienste des schmächtigen jungen Mannes.

Für eine Stunde inklusive Fahrer verlangt er 50 Mark. Die Rikscha ohne Fahrer verleiht er nur ungern: „Eine Rikscha ist wie ein störrisches Pferd“ — sie fährt wohin sie will, man muß mit dem ganzen Körper gegenlenken. Da Straßen leicht gewölbt sind, zieht einen die Rikscha zum Rinnstein hin. Der ansonsten porschefahrende Bräutigam vom vergangenen Wochenende ist haarscharf an einem Mercedes vorbeigeschrammt. Außerdem wiegt ein beladenes Gefährt rund 350 Kilo — „das geht ganz schön in die Beine“.

Angefangen hat alles mit einer Anzeige in der „Von A bis Z“: Ein Worpsweder wollte die Rikscha, mit der er seine behinderte Tochter immer spazierengefahren hat, verkaufen. Damals suchten Torsten und seine Frau Roswitha nur nach einem Gefährt, mit dem sie zusammen mit der Tochter ins Grüne fahren könnten. Ein Auto hat die Familie nicht. Kaum gekauft, fragten immer mehr Bekannte, ob sie das Gefährt nicht mal leihen könnten — so reifte die Idee, daraus ein Gewerbe zu machen. „Es ist ja auch was Sinnvolles“, sagt Torsten. Manchmal leistet er Überzeugungsarbeit an der Basis: Wenn die Wilhelm-Kaisen- Brücke mal wieder vollsteht, schnappt er sich Frau und Kind, und radelt den staunenden AutofahrerInnen vor, wie man besser durch die Stadt kommt.

Mittlerweile besitzt die Famile bereits drei Rikschas: eine aus Thailand, eine aus Indonesien (da sitzt der Fahrer hinter dem Gast), eine dritte lagert noch in der Tiefgarage: Hier müssen noch Lämpchen, Lautsprecher und Radio, neue Bremsen und vor allem eine Drei-Gang-Schaltung eingebaut werden.

Nach dem ersten Erfolg am Wochenende will Torsten es nun wissen: Vielleicht läßt sich am Hauptbahnhof ein Rikschadienst aufbauen für Kurzfahrten, vielleicht beißt ja auch Michael Schanze mit seiner „Flitterabendshow“ an, und vielleicht eignet sich das Rikschafahren für eine Wetten-Daß-Wette. Vielleicht läßt sich ja auch mit Rikscha-Akrobatik Geld machen — in Indonesien nämlich, wo die Fahrer einen Führerschein machen müssen, legen man sich gern mal zum Jux so in die Kurve, daß die Karre zweirädrig fährt. Auch das möchte Torsten lernen. cis