Betriebspause? Dann bin ich weg!

■ Vom Verschwinden bedroht: Claus Hößelbarth und sein Kind, das KITO in Vegesack / Unter jedem Dach ein Ach (5)

„Und jetzt wollen wir endlich bauen: von der Glaswerkstatt her stinkt es in den 12-qm-Büroraum rein. Eine neue Außentür muß her. Dann gibt es noch immer den Plan, ein Foyer mit Künstlergarderobe und Ausschank einzurichten. Zusätzliche Toiletten sollen jetzt endlich eingebaut werden. Und vielleicht wird aus dem Außentreppenhaus mit Behindertenaufzug auch mal was.“

Herr Hößelbarth, Herr Hößelbarth! Alle Kultureinrichtungen in Bremen schreien unter der Knute des Finanzsenators, und Sie erzählen uns rosa Zukunftspläne?! Tanzt das KITO aus der Jammerreihe? Kein „Ach“ unterm KITO-Dach?

Das KITO, das alte Packhaus in Vegesack, ist fraglos die eigenartigste Kultureinrichtung in

hierhin bitte

das große alte Haus

Noch sieht's recht massiv aus: Das KITOFoto: KITO

Bremen. Das beginnt beim Namen: „KITO“ ist die Kurzform der 20er-Jahre-Verpackungsfirma „Kistentod“ im selben

Haus; die Firma wollte — erfolglos — Holzkisten durch den Einsatz von Wellpappe überflüssig machen. Seit 1969 lebt das Haus mit einem gültigen Abrißplan; ursprünglich war hier mal ein städtebauliches Pendant zur „Grohner Düne“ geplant.

1989 kam Claus Hößelbarth aus der DDR, um — als gelernter Glasgestalter — im Alten Packhaus eine Glaswerkstatt einzurichten. Indes machte Hößelbarth alles andere als in heißem Glas zu rühren — vielmehr entpuppte er sich als ausgesprochen rühriger Veranstalter von Musik- und Kleinkunstereignissen. Das KITO wurde unter ihm ein angesagter Bremer Kulturplatz, was für den Standort Bremen- Nord einiges heißen will.

Heute ist das KITO ein Familienbetrieb. Die Brüder Claus und Lutz Hößelbarth machen von Marketing übers Programm bis zur Buchführung alles selber. Mutter Hößelbarth macht Telefondienst. Die 15-jährige Enkelin verteilt Plakate.

KITO, das heißt Dollar Brand, Klezmer-Festival, Hanibal Marvin Peterson, Irish Folk, Kabarett, Veranstaltungen zur Chaosforschung, Pflanzen, die Musik machen, und Jan Gabarek. Wieso kommt so einer nach Vegesack? Der Hößelbarth ist schnell, wissen die großen Veranstalter. Der organisiert einen Auftritt schlimmstenfalls in kaum 14 Tagen. Deswegen kann Vegesack spontan „mitgenommen“ werden. So findet hier mancher Star noch mal Clubatmosphäre und begnügt sich mit der Abendkasse.

Am Sonntag hatte das KITO die 500. Veranstaltung; seit letztem Jahr wird ein kleiner Überschuß produziert — Sorgen, Herr Hößelbarth? Und ob! „Wenn wir wegen eines Finanzlochs ein Vierteljahr geschlossen werden, bin ich weg“, sagt er ganz unvermutet. Der Etat von 400.000 Mark ist nämlich alles andere als gesichert.

Das KITO ist ein Kind der Wirtschaftsbehörde. Der Vorsitzende des Trägervereins, Hermann Krauß, ist Parteifreund des Senators Jäger. Dieser aber dachte an „Anschubfinanzierung“ — peu a peu sollte die Finanzierung vom Kulturressort übernommen werden. 270.000 Mark wären 1994 fällig. Doch Kultur scheut.

Die Senatorin hatte in ihrer letzten Etatplanung hinter „KITO“ nur Striche gemalt: keine Kohle fürs KITO aus dem Etat. Gültig ist z. Zt. und bis auf weiteres der letzte Beschluß der Kulturdeputation, welcher vorsieht, einen Zuschuß aus Lottogeldern zu organisieren. Dieses Jahr hat Helga Trüpel schon mal 50.000 Mark überwiesen — allerdings haben letztes Jahr die Kredite, die wegen immer wieder ausbleibender Staatsknete nötig wurden, bereits 30.000 Mark Zinsen gekostet.

Noch hofft Hößelbarth auf die FDP-Connection („Es sieht aus, als wollte Wirtschaft noch mal einspringen...“), aber seine persönlichen Evakuierungspläne liegen in der Schublade. Und im Falle längerfristiger Verträge mit Künstlern achtet Hößelbarth jetzt vorsichtig, worauf er sich festlegt.

Aus der Bremer Musik- und Kleinkunstszene allerdings ist

Seit 1969 lebt das KITO mit einem gültigen Abrißplan, seit drei Jahren wird es von einem gelernten Glasgestalter, Ex-DDR, und seiner Familie betrieben - und mit großem Erfolg. Fraglos die eigenartigste Kulturstätte in Bremen

das KITO schwer wegzudenken, und sein Macher betont: „Ich kann nur davon ausgehen, daß es weitergeht. Etwas anderes kann ich gar nicht denken.“ Und darum spricht er am liebsten von seinen Bauvorhaben. Burkhard Straßmann