Niedersachsen-CDU am Katzentisch

■ Nach Seiters-Rücktritt ist der zweitstärkste CDU-Landesverband in Bonn geschwächt

Mit großem Bedauern und zugleich hohem Respekt hat die CDU Niedersachsen auf den Rücktritt von Bundesinnenminister Rudolf Seiters reagiert. Seiters, der stellvertretender Landesvorsitzender ist, übernehme „ganz offensichtlich die Verantwortung für das Versagen anderer“, sagte CDU-Landesvorsitzender Josef Stock.

Stock kritisierte vor allem Generalbundesanwalt Alexander von Stahl (FDP), der „viele Anworten schuldig geblieben“ sei. CDU-Spitzenkandidat Christian Wulff forderte den Rücktritt des Chefanklägers Alexander von Stahl. Als Chef der Bundesanwaltschaft habe er die Festnahmeaktion gegen zwei mutmaßliche RAF-Terroristen vor einer Woche in Bad Kleinen zu verantworten und dürfe jetzt seine Hände nicht in Unschuld waschen, sagte Wulff in einem Interview mit dem Radiosender „Antenne Niedersachsen“.

Das öffentliche Bedauern über den Rücktritt des Bundesinnenministers ist bei der Niedersachsen-CDU alles andere als eine Pflichtübung. Rudolf Seiters hat seinen CDU-Landesverband in besondere Not gebracht. Der Emsländer war in Bonn einziger niedersächsischer CDU-Politiker mit Ministerrang, seit der Bundeskanzler die ihm unbequem gewordene Rita Süssmuth vom Kabinettstisch an die Spitze des Bundestagspräsidiums lobte.

Seiters, stellvertretender Landesvorsitzender, sollte zudem als Bundesinnenminister ohne Skandale in den Wahlkampf für die Landtagswahl im nächsten Frühjahr ziehen.Im Kabinett nimmt die Niedersachsen-CDU vorerst allenfalls am Katzentisch der Parlamentarischen Staatssekretäre Platz.

Immerhin ist die Niedersachsen-CDU mit annähernd 100.000 Mitgliedern der zweitstärkste Landesverband und einer der wenigen, die wieder Zulauf haben. Doch neben Süssmuth und Seiters haben sich bisher in Bonn kaum niedersächsische CDU-Politiker profiliert.

Bei der Suche nach den positiven Seiten allen Unglücks sind die niedersächsischen Christdemokraten bereits fündig geworden: Seiters habe nun mehr Zeit für den Landtagswahlkampf gegen die rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Gerhard Schröder, sagt Spitzenkandidat Christian Wulff. Und in den Augen des niedersächsischen CDU- Generalsekretärs Hartwig Fischer läßt sich der Rücktritt sogar im Wahlkampf nutzen: Die vielfach ehrenvoll kommentierte Entscheidung passe doch hervorragend zum neuen Politikstil, den Wulff verspreche.

Andreas Möser/dpa