Bremen zieht die Sparstrümpfe an

■ In der Sommerpause werden die ersten Sparpakete geschnürt, beschnüffelt und zur Anschuung verteilt / Lehrer sollen mehr arbeiten

Wie schafft man sich kurzfristig öffentliche Ausgaben vom Hals, damit der Haushalt 1994 um nicht mehr als drei Prozent ansteigt? Mit dieser Frage beschäftigte sich jüngst die Koalitionsarbeitsgruppe „Aufgabenoptimierung“. Herausgekommen ist eine Aufstellung von Sofortmaßnahmen, die quer durch alle Ressorts das rettende Ziel der Sanierung Bremens verwirklichen helfen sollen.

Die Arbeitsgruppe bereitet die Senatsklausur zum Thema Sparrunden im kommenden Haushalt und Haushaltssicherungsgesetz vor, mit dem sich der Senat seinen harten Kurs von der Bürgerschaft bestätigen lassen will. Formal wird jedes Ressort mit Sparvorschlägen gestutzt: Gespart werden soll

-in der Senatskommission für das Personalwesen bei der Fortbildung. Außerdem soll das Referat 30 (Verwaltungsforschung) aufgelöst werden. Studenten der Hochschule für öffentliche Verwaltung sollen möglicherweise auf Bafög-Satz heruntergestuft werden. Der Finanzsenator schließlich soll nach besserer Nutzung der öffentlichen Gebäude und ihrer Bewirtschaftung trachten.

-Beim Senator für Inneres soll die Küstensicherung an den Bundesgrenzschutz übergeben werden. Schon länger ist hier die Privatisierung der Knöllchenschreiber (“Überwachung des ruhenden Verkehrs) und eine Kostenbeteiligung für Polizeieinsätze bei Großveranstaltern im Gespräch.

-Das Bildungsressort wird angehalten, die Wochenstundenzahl für Lehrer zu erhöhen. Außerdem sollen Lehrer in Bremen künftig auch in Bremerhaven und umgekehrt eingesetzt werden können. Es gehe nicht an, daß in Bremerhaven Lehrer eingestellt werden, wenn hier in Bremen Überhang herrscht, heißt es aus der Arbeitsgruppe. Schulzentren sollen zusammengezogen werden und damit effektiver arbeiten, einzelne Hochschulstudiengänge auf Sinnhaftigkeit überprüft werden.

-Die Senatorin für Ausländerintegration soll über eine Umstrukturierung der Zentralstelle für die Integration von Zuwanderern nachdenken.

-Auch der Aufwand für die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau soll verwaltungstechnisch verschlankt werden, das Landesamt für Weiterbildung und die Kooperationsstelle Arbeiterkammer/Universität kritisch auf Preis-Leistung unter die Lupe genommen werden.

-Im Gesundheits- und Sozialbereich stehen zur Privatisierung Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern an und eine „Verselbständigung“ des Kndergartenbereichs. Die staatlichen Zuschüsse für das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS)sollen „überprüft“ werden.

-Der Senator für Umweltschutz soll dann auf Ausgleichsflächen für Wohnungsbauprogrammme verzichten, der Bausenator auf großangelegten Straßebau.

-Der Wirtschaftssenator soll die Wirtschaftskammer nicht länger subventionieren, der Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung soll formal aufgelöst, die Arbeit in einzelne Fachabteilungen integriert werden.

Ernst gemacht werden soll dann endlich auch mit den Einsparungen beim Personal im öffentlichen Dienst. Jüngst hatte sich der Finanzsenator noch überrascht geäußert, warum der gewünschte Spareffekt (rd. 50 Mio.) in den vergangenen Jahren trotz eingehaltener Stellenquote nicht eingetreten ist. Des Rätsels Lösung: Die Ressorts hatten zur Streichung Stellen angegeben, die ohnehin nicht mehr besetzt waren und deshalb als Personalkosten ohnehin ncht auftauchten. Dem Vernehmen nach hat die FDP jetzt einen anderen Vorschlag für Personaleinsparungen gemacht: Jedes Ressort ermittelt das Durchschnittsgehalt seiner Mitarbeiter. Bei drei Prozent Fluktuation pro Jahr werden 2/3 dieses Kontingents nicht mehr besetzt. Die so errechnete Sparquote müsse dann aber nach Ressorts differenziert werden, weil die Fluktuation in den einzelnen Bereichen unterschiedlich ist.

Auch die Grünen haben Vorschläge zur Aufgabenoptimierung vorgelegt. Die neuen Auswirkungen des Tarifvertrages mit der ÖTV über die Innenreinigung dürfe auf die abzubauende Personalquote nicht angerechnet werden. Weiter fordern die Grünen, daß Zuschußempfänger, die jährlich über eine Millionen Mark aus dem Haushalt bekommen, die Steigerungsquote des Haushaltes im Sanierungsprogramm einhalten. Drittens: Sämtliche öffentlichen Bauvorhaben werden gebündelt, zentral gespeichert und über eine Prioritätenliste geordnet. Bauvorhaben über 100.000 Mark Kosten werden nicht mehr begonnen.

Im Finanzressort läuft parallel noch eine zweite Liste, die nach der Sommerpause die „Haushaltssicherung“ nach dem Bremer Sanierungsprogramm gewährleisten soll. Sie enthält teilweise ähnliche Vorstellungen wie die der Arbeitsgruppe Zur Disposition stehen dabei u.a Gesetzesänderungen zur Stiftung Wohnliche Stadt und die Verwendung von Wettmitteln und die Zuschüsse an Privatschulen. Auf der Ebene der Senats- und Deputationsbeschlüsse stehen u.a. die Streichung der Programme für den Ausbau der Kindertagesheime und Kieselrot-Sanierung, die Gebührenerhöhung für Bibliothek und Grphothek sowie die Einführung von Gebühren für den Rhododendron-Park.

Konflikte sind vorprogrammiert. So haben die grünen SenatorInnen Fücks und Trüpel schon ihre Vorbehalte bei bei der Streichung des Kieselrot-Sanierungsprogramms, der Unterstützung der Stiftung Wohnliche Stadt und der Neuverteilung von Wettmitteln angekündigt.

Die FDP will die Kürzung bei der Subventionierung der Privatschulen nicht hinnehmen, die Grünen als Partei sind gegen die Erhöhung der Lehrerstundenzahl. Die SPD hält sich bislang noch vornehm zurück. „Konflikte werden sich erst anbahnen, wenn klar ist, welche Auswirkungen die Sparvorschläge für die einzelnen Ressorts haben“, erklärte Sozialdemokrat Reinhard Barsuhn diplomatisch. mad