Benficas Kicker ohne Knete

■ Lissabons Traditionsclub kann trotz Vize-Meisterschaft die Gehälter nicht pünktlich zahlen, mußte ein Spendenkonto einrichten und Paulo Futre verkaufen

Lissabon (taz) – António Pacheco, Paulo Sousa und JoÛo Pinto verdienen gut, sehr gut. Doch Ende Juni hatten die drei Fußballspieler von Benfica Lissabon noch immer nicht ihr Gehalt für den Monat Mai auf dem Konto. In einigen Zweigen der portugiesischen Wirtschaft ist eine verspätete Auszahlung der Löhne gang und gäbe. Etwa in der Hotelbranche. Wenn die Gäste und damit die Einnahmen ausbleiben, bekommen auch die Angestellten einfach kein Geld mehr. Manchmal müssen sie sich vier Monate lang gedulden, bis endlich wieder Löhne ausgezahlt werden. „Salarios em atraso“ ist dafür der gängige portugiesische Ausdruck, „Löhne mit Verspätung“.

Doch Pacheco, Sousa und Pinto hatten keine Geduld. Schon knapp zwei Monate ohne Gehalt waren ihnen zu lange und so lösten sie kurzerhand ihre Verträge mit Benfica auf. Der Stürmer Pacheco wechselte zum Lokalrivalen Sporting Lissabon, und auch Paulo Soussa unterschrieb dort einen Dreijahresvertrag. Umgerechnet 40.000 Mark ohne Prämien hatte der 22jährige bei Benfica monatlich verdient. Im Vergleich zu den im internationalen Fußball üblichen Spieler-Gehältern sicher keine exorbitante Summe. Doch in Portugal, wo der staatlich festgelegte Mindestlohn nur knapp 500 Mark im Monat beträgt, ist dies ein fürstliches Gehalt.

Der dritte im Bunde, JoÛo Pinto, blieb dann doch bei Benfica, nachdem ihm Club-Präsident Jorge de Brito versichert hatte, daß sein Gehalt künftig immer pünktlich ausgezahlt wird.

Die ganze Episode wirft ein Schlaglicht auf die große Finanzkrise, in der sich der Lissaboner Traditionsverein befindet. Umgerechnet rund 30 Millionen betragen die Schulden. Dazu beigetragen hatte, daß Benfica im Januar fast neun Millionen Mark ausgab, um den 34fachen portugiesischen Nationalspieler Paulo Futre von Atletico Madrid zu kaufen. Mit dem Nationalhelden Futre wollte Benfica portugiesischer Meister werden, und dann im Europapokal der Landesmeister gegen andere große europäische Mannschaften im Lissaboner „Stadion des Lichts“ vor großer Zuschauerkulisse spielen. Mit dem Eintrittsgeld für diese Spiele sollten die Schulden wenigstens teilweise abgetragen werden.

Doch die Rechnung ging nicht auf. Meister wurde der FC Porto, Benfica landete mit zwei Punkten Rückstand auf dem zweiten Platz. Ohne Titel keine Teilnahme am Meisterpokal. Und ohne Teilnahme sind die Banken nicht bereit, weitere Kredite zu gewähren, denn Benfica wird im UEFA-Cup wohl weniger Extraeinnahmen haben.

Schon beim Futre-Kauf war Benficas Finanzdesaster überdeutlich geworden. Um die Ablösesumme aufzubringen, hatte sich Präsident de Brito eines alten Freundes bedient: Monteiro de Lemos, damals Präsident des Verwaltungsrates des staatlichen portugiesischen Fernsehens (RTP) und bis Ende vergangenen Jahres im Zweitberuf Vize-Schatzmeister von Benfica. Die beiden wußten einen Weg: Das Fernsehen bezahlte Benfica sofort und im voraus 3,3 Millionen Mark für die Übertragungsrechte an den Benfica-Spielen bis zum Saisonende 1995/96. Weitere 3,3 Millionen Mark zahlte die RTP-Werbetochter RTC für das Recht auf Weiterverkauf der Werbeflächen im Stadion. Das noch fehlende Geld besorgte sich de Brito vom Spielcasino Estoril. Als Gegenleistung werden die Benfica-Spieler auf den Trikots in den kommenden drei Saisons Reklame fürs Glücksspiel machen.

Doch dieses „Geschäft“ erwies sich am Ende als großer Flop. Zwar bekam Benfica schnell das benötigte Geld, doch unter normalen Umständen, also nicht bei Vorauszahlung, hätte RTP doppelt soviel für die Übertragungsrechte zahlen müssen. Nun, nach verlorener Meisterschaft, läßt Benfica Futre zum französischen Club Olympique Marseille ziehen. Für eine Ablöse von rund neun Millionen Mark. Nur knapp fünf Monate lang hat der 26jährige für Benfica gekickt.

Der Lissaboner Verein braucht Geld dringender als den linksfüßigen Linksaußen. Doch auch nach diesem Millionen-Transfer bleiben noch viele Schulden. Und angesichts ihrer Unfähigkeit, mit Geld umzugehen, fiel den Vereinsoberen nichts Besseres ein, als die Eröffnung eines Spendenkontos. Dort können die Fans ihr Scherflein zahlen: Konto-Nummer: 0278/7000930 bei der Caixa Geral de Depósitos in Lissabon. Theodor Pischke