Sonnenfinsternis statt Sternstunde

■ Monteverdis „Krönung der Poppea“ in Düsseldorf: Eine neonbunte Doublette, eher eine konzertante Aufführung als eine Inszenierung

Beschwerlich scheint der Weg von Claudio Monteverdis letzter Oper „L'Incoronazione di Poppea“ in das Repertoire. 1642 als seine erste kommerzielle Produktion im zweiten Opernhaus Venedigs, dem Teatro SS. Giovanni e Paolo, uraufgeführt, verschwand sie bis zur Wiederaufnahme durch den Komponisten Vincent d'Indy im Jahr 1905. Doch weder d'Indy noch Gian Francesco Malipieros Monteverdi-Edition (1931), die dem jungen Luigi Nono als Einführung in die italienische Renaissance diente, konnten die akzentuiert geformte Sprachfähigkeit seiner Musik gegen den Neo-Expressionismus installieren. Interpretationsstandards und damit den sporadischen Einzug in das Opernhaus setzten erst Nikolaus Harnoncourt (Zürich, 1977) und René Jacobs (Köln, 1993) mit ihrem harten, Synkopen übersteigernden „Original“-Sound, beide aber lediglich als streng terminierte Festival- und Co-Produktionen konzipiert.

In der Regie von Johannes Schütz versuchte nun die Düsseldorfer Oper/Rhein, der Sternstunde frühester Operntradition ohne Barockoboen und D-Clarintrompeten, dafür mit geglättetem Orchesterklang und a-kausaler Personenführung einen Platz im Musiktheater-Alltag zu verschaffen. Vergebens. Das zwischen Opera seria und Opera buffo changierende Drama um den Potentaten Nero und die machtlüsterne Poppea wurde zur neonbunten Doublette, die in ihrer Agogik eher einer konzertanten Aufführung denn einer Inszenierung gleichkam. Allesamt Sänger und Sängerinnen verstanden ihre Partien als neutrale Klang-Gestalten, Arien und Duette wurden unbeweglich-blaß zu reinen Informationsträgern im besten wittgensteinschen Sinne. Wie verzweifelt der gehörnte Ottone (mit kaltem, undramatischem Countertenor: David Cordier) um die Liebe von Poppea kämpft, warum Neros Gattin Ottavia ihre Nebenbuhlerin Poppea (farblos: Fionnuala McCarthy) ermorden lassen will, ausgesparte Ausdruckshöhepunkte verwandelten den Abend zur Nummernoper, in der sogar hochvirtuose Koloraturen schändlich gesungen wurden. Nicht unschuldig war Dirigent Hans Drewanz, der aus den zwei vorliegenden Monteverdi-Manuskripten eine spannungslose, dem arios-lyrischen Duktus entgegensteuernde Partitur eingerichtet hat. Die psychologisch ausgereiften Rezitative, bei Monteverdi überhöhte „recitar cantando“, blieben im uninspirierten Basso continuo hängen, sogar das leichtflüssig daherkommende Finale „Pur ti miro“ zwischen Nero und Poppea wurde zur konstrastlosen Schwarz-Weiß-Krönung.

Ohne Brio, ohne scharfe Tempi und ohne plausible Bühnenpräsenz ist dieser venezianischen Oper nicht beizukommen. Und ins Repertoire gehört sie in diesem Gewande nicht. Guido Fischer

„Die Krönung der Poppea“, Drama in Musica in einem Prolog und drei Akten von Claudio Monteverdi; Inszenierung, Bühne, Kostüme: Johannes Schütz; musikalische Leitung: Hans Drewanz, Düsseldorfer Symphoniker; weitere Vorstellungen: 6., 8., 11.7.