Streit um L-Tryptophan

■ Das gentechnisch hergestellte Schlafmittel soll wieder in den Handel

Als „Tschernobyl der Gentechnik“ wurde der Fall „L-Tryptophan“ bezeichnet, bei dem vor über drei Jahren zahlreiche Menschen Opfer eines gentechnisch hergestellten Schlafmittels wurden. 27 Menschen starben und über 3.000 chronische Erkrankungen – vorwiegend in den USA – wurden registriert. In der Bundesrepublik verursachte das bis dahin als besonders „gut verträglich“ gerühmte Schlafmittel mit dem Wirkstoff L-Tryptophan bei über 100 PatientInnen die als Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (EMS) bezeichnete Krankheit. Obwohl bis heute nicht geklärt ist, wie es eigentlich zu den schweren Nebenwirkungen kommen konnte, soll das Medikament jetzt wieder in den Handel gebracht werden.

Gegen die Entscheidung des Bundesgesundheitsamtes (BGA), die Zulassung für L-Tryptophan- haltige Schlafmittel weiterhin ruhen zu lassen, hatte das Pharma- Unternehmen Fresenius AG aus Oberursel vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich geklagt.

Alle EMS-PatientInnen hatten ausschließlich das gentechnisch hergestellte L-Tryptophan des japanischen Unternehmens Showa Denko eingenommen. Showa Denko deckte zu dem Zeitpunkt über die Hälfte des weltweiten Bedarfs der pharmazeutischen Industrie an L-Tryptophan ab. Da nur bei diesem L-Tryptophan eine charakteristische Verunreinigung vorlag, die als „Peak E“ bezeichnet wurde, ging man davon aus, daß es sich dabei um die krankheitsauslösende Substanz handelt.

Der Pressesprecher von Fresenius, Matthias Brasser, ist sich auch sicher, daß Peak E die Ursache der EMS-Krankheit sei. Fresenius könne garantieren, daß bei dem L-Tryptophan jetzt diese Verunreinigung nicht mehr vorhanden sei. Für Ulrich Hagemann vom BGA ist das dagegen bisher nur Spekulation: wissenschaftlich sei bisher noch nichts erwiesen. „Es gibt sogar noch unterschiedliche Auffassungen darüber, welche chemische Verbindung der Peak E eigentlich ist“, rechtfertigt der BGA-Experte die Entscheidung seiner Behörde. Solange die Ursache nicht geklärt ist, so ist zumindest die Meinung des BGA, dürfte das Mittel eigentlich nicht vertrieben werden. Wolfgang Löhr