Mit Windpark und Solarfarm

Energiewende in Marokko: Das Entwicklungsland spielt heute eine Vorreiterrolle in der Anwendung regenerierbarer Energien  ■ Aus Marrakesch Berthold Kuhn

Rohstoffe besitzt das Land kaum. Die Bevölkerung wächst jährlich um drei Prozent und damit auch der Bedarf an Energie. Marokko ist deshalb mehr als andere Länder darauf angewiesen, regenerative Energien zu erschließen. Das Entwicklungsland ist auf dem besten Wege, in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle zu spielen. Die klassischen Energieträger reichen schon heute nicht mehr aus; sie haben zudem erhebliche ökologische Schäden verursacht. Die traditionelle Produktion von Holzkohle etwa hat zur Entwaldung von Bergregionen im mittleren Atlas und im Rifagebirge geführt. In der Umgebung von Staudämmen, die für Trinkwasser und Wasserkraftwerke gebaut wurden, versalzen die Böden.

Die billigste Alternative, nämlich den Import von Erdöl und Erdgas durch Pipeline-Verbindungen mit dem benachbarten Algerien, möchte Marokko aus politischen Gründen weitgehend vermeiden. Zwar reicht eine neue Gaspipeline inzwischen von Algerien über Tunesien bis in den marokkanischen Süden zum Phosphatabbaugebiet bei Safi. Der Aufschwung islamistischer Kräfte hat jedoch den politischen Konflikt mit Algerien neu belebt. Die „Union de Maghreb“, der seit langem geplante Wirtschaftsverbund der Maghreb-Staaten nach dem Vorbild der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ist in weite Ferne gerückt.

Aber schon seit dem Ölpreisschock der siebziger Jahre, unter dem Marokko nicht weniger litt als die Industrienationen des Nordens, sind erste Ansätze zu einer regenerativen Energieversorgung zu erkennen. 1982 wurde in Marrakesch das „Centre de Développement des Energies Rénouvables“ (CDER) im Rang eines „Office National“ gegründet – wichtige öffentliche Aufgaben wie etwa die Trinkwasserversorgung werden in Marokko durch solche Nationalbüros wahrgenommen, die dank staatlicher Zuschüsse und ausländischer Unterstützung erfolgreich arbeiten.

In zehn Jahren hat das CDER, unter anderem auch mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, die Nutzungsmöglichkeiten regenerativer Energien ausgelotet: intensive Sonneneinstrahlung im südlichen Landesteil, Wind in der Küstenregion und eine umfangreiche Viehzucht, die ein großes Biomassepotential darstellt.

Seit das Monopol des Office National de l'Electricité aufgehoben ist, steht das CDER vor seiner praktischen Bewährungsprobe. Es hat vom Energieministerium die Aufgabe erhalten, ein dezentrales Energieversorgungskonzept (Programme Nationale de l'Electrification décentralisée) zu entwickeln.

Eine große Windfarm ist zwischen Tanger und Tetouan geplant. Die dort gemessenen Windgeschwindigkeiten sind mit acht bis elf Metern pro Sekunde vielversprechend – in Nordeuropa wird bereits bei Windgeschwindigkeiten unter acht Meter pro Sekunde Windfang betrieben.

Das Projekt „Windpark Tanger“ könnte nach dann dreizehnjähriger Planung 1995 seinen Betrieb aufnehmen und wenigstens Spitzen im Stromverbrauch der Nordregion decken.

Das Problem der Windenergie ist jedoch ihre Unzuverlässigkeit. Deshalb kann sie sinnvoll nur in Kombination mit anderen Energiequellen eingesetzt werden („fuel-saver-Konzept“). Die größten Vorhaben der CDER liegen daher auf dem Gebiet der Solar- Thermik. Marokko favorisiert das in Kalifornien großflächig praktizierte „Rinnenkonzept“, das sich als wirtschaftlicher erwies als das „Turmkonzept“, das die EG fördert: Spiegel fokussieren die Sonnenwärme auf etwa 30 Meter lange Rinnen, das darin umlaufende Speichermedium treibt über einen Wärmetauscher konventionelle Dampfturbinen an.

In den Städten Ouarzazata oder Taroundant könnte ein erstes, großes Kraftwerk dieser Bauart errichtet werden. Geplant sind Kapazitäten bis zu 80 Megawatt. Für die Touristenstadt Ouarzazate am Fuß des Hohen Atlas zum Beispiel würden schon 30 Megawatt Leistung ausreichen, um die 30.000 Einwohner mit Solarstrom zu versorgen – eine deutsche Stadt vergleichbarer Größe allerdings würde etwa fast zehnmal soviel Energie fressen.

Die Finanzierung dieses Großprojekts (geschätzte Investitionskosten 200 Millionen Mark) ist noch unsicher. Das CDER bemüht sich indessen auch um kleine, dezentrale Energieprojekte. In der Provinz Khénitra wurden – mit Unterstützung aus dem Sonderenergieprogramm der Bundesrepublik Deutschland (SEP) – 200 Haushalte mit photovoltaischem Strom versorgt. Außerdem berät das CDER schon seit langem Bauern beim Bau von Biogasanlagen. In Agadir wird zur Zeit untersucht, ob Holzkohle durch Biogas ersetzt werden kann. Schätzungen rechnen damit, daß etwa fünf bis zehn Prozent der Tierfäkalien genutzt werden könnten.