Die Atomlobby läuft in die Sackgasse

Die Bonner Energie-Konsensrunde mit den Umweltverbänden endete am Freitag mit einem Kompromiß / Ein Arbeitskreis soll über Stromsparen diskutieren  ■ Von Niklaus Hablützel

Berlin (taz) – Zwölf Seiten lang ist das Papier, das Beamte zweier Ministerien verfaßt haben. Die Mühe war vergebens, die Auftraggeber sind blamiert. Das amtsdeutsche „Zwischenergebnis zum Komplex Kernenergie“, das die Minister Töpfer und Rexrodt am Mittwoch in die Bonner Energie- Konsensrunde einbrachten, trieb – wunschgemäß – nur die Grünen aus dem Sitzungssaal. Zwei Tage später wollten die Sprecher der Energieversorger nichts mehr davon wissen.

Als sich die Industrie- und Gewerkschaftsvertreter am Freitag mit den Umweltverbänden an den Konsenstisch setzten, hieß es plötzlich, das Ministerpapier stelle lediglich die Sicht der Regierung dar. Das Wort hatten nun Heinz Laing und Onno Poppinga von Greenpeace und BUND. Sie bestimmten die weiteren Verhandlungen der Freitagsrunde, die ohne die Grünen mit einem Kompromiß zu Ende ging, den Berufsdiplomaten nicht besser aufs Parkett gelegt hätten: die Umweltgruppen wollen, so das Ergebnis, mit den Gewerkschaften und Energieversorgern in einem Sommer-Arbeitskreis über „Rahmenbedingungen zur Umstrukturierung der Energiewirtschaft“ weiter diskutieren – der Grundsatzstreit ums Atom wird so lange vertagt.

Allerdings nicht ganz – völlig unbelohnt sollte der Beamtenfleiß nun doch nicht bleiben. Ein zweiter Arbeitskreis soll sich ebenfalls in der Sommerpause mit der Atomkraft befassen. Die Umweltverbände wollen sich daran nicht beteiligen, sie setzen auf die nächste Blamage. Ende September soll sich die große Runde wieder treffen, um die Berichte der Arbeitsgruppe zur Kenntnis zu nehmen. Heinz Laing freut sich schon: „Wir werden denen vorrechnen, daß Atomenergie ökonomisch ein Auslaufmodell ist.“

Ginge diese Strategie auf, wäre nichts Geringeres als der Ausstieg aus der Atomkraft auf kaltem Wege vollbracht. Alleingelassen von der Industrie läuft die Bundesregierung schon jetzt in jene Sackgasse, auf die Kernkraftgegner seit langem hinweisen: die tatsächlichen Kosten – etwa für die Lagerung des Atommülls – treiben die Strompreise in unbezahlbare Höhen. Diese Einsicht ist inzwischen auch einem Dietmar Kuhnt geläufig, dem Chef der RWE-Energie AG, Betreiberin der Atomreaktoren der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke. Kuhnt verblüffte die Konsensrunde am Freitag mit dem Satz: „Jede eingesparte Kilowattstunde Strom bringt mehr Gewinn als der Zubau von Kapazitäten.“

Aus nur noch „psychologischen Gründen“, wie unter der Hand inzwischen zugegebn wird, besteht die Atomindustrie immer noch auf ihre Option für den Neubau einer angeblich sicheren Reaktorgeneration. Töpfer und Rexrodt hatten dieses „Phantom“ (Laing) gar als Bedingung für jede Diskussion über das seinerzeit von Veba-Chef Piltz angemahnte „geordnete Auslaufen“ der bestehenden AKW gemacht. Auch Laing befürchtet, daß sich daran bis zum Herbst nichts ändern wird. Nur, so hofft er, seien auch die Gewerkschaften nicht mehr bereit mitzuspielen. Die IG- Bergbau hat am Konsenstisch ausdrücklich gegen den Versuch der Regierung protestiert, die Zustimmung zum Atomkurs weiterhin mit dem Kohlepfennig zu versüßen, den die Stromkunden an die Ruhrkumpel überweisen.