: Nur eine kleine Geburtstagsparty
950 Rechtsradikale aus dem gesamten Bundesgebiet trafen sich vor den Augen der untätigen Polizei auf dem Grundstück des Vizebürgermeisters von Friedrichsbauhof bei Prieros zum Fest ■ Von Michaela Schießl
Normalerweise steht Friedrichsbauhof bei Prieros für Harmonie pur: eine Seen-Idylle für Naturfreaks und Wassersportler, die gerne mal an der Gaststätte „Wasserfreund“ pausieren oder nebenan in „Kuddels lustiger Stube“ einkehren. Am 19. Juni jedoch ist „Kuddel“ Kurt Klotz das Lachen vergangen, und die Wasserfreunde sahen sich von Feinden umzingelt. Denn auf dem dritten Anwesen, im Garten des Vizebürgermeisters Wolfgang Wendland (42), sammelten sich rechtsradikale Skinheads aus der gesamten Republik. Ein bundeswehrgrünes Bierzelt steht hinter dem Haus, verziert durch die Flaggen vom Bierhersteller. „Daraus machen die dann Reichskriegsflaggen“, spottet der Gastgeber und bleibt dabei, daß die ganze Veranstaltung nicht etwa eine Sonnenwendfeier, sondern das Geburtstagsfest seines zwanzigjährigen Sohnes Marko Schmidt gewesen sei. Daß der im April Geburtstag hat, ist nicht die einzige Ungereimtheit in Wendlands Geschichte. Er findet, daß seine Gäste ganz normale junge Leute waren und nicht etwa uniformierte Rechtsradikale, wie die Nachbarn behaupten. Die seien nur neidisch auf seinen Umsatz.
Tatsächlich hat der Schnauzbartträger mit dem Rechtsradikalentreffen eine gute Mark gemacht. Vier Skinhead-Bands spielten ohrenbetäubend zum Tanz, Bier war für drei Mark zu haben. „Alles angemeldet“, sagt Wendland und deutet auf seinen Gewerbeschein, eine Erlaubnis zum Imbißverkauf und zur Unterstellung von Campingwagen. Die Großveranstaltung selber hatte Wendland nicht angemeldet, angeblich hatte er keine Ahnung vom Ansturm der Massen.
950 Eintrittskarten zu je 30 Mark hat er nach eigenen Angaben verkaufen können, hinzu kommen zahlreiche Funktionäre — wie etwa der bekannte Rechtsradikale Karsten Szczepanski, Herausgeber des Magazins United Skins, der Leadsänger der verbotenen Band „Störkraft“ oder der eigene Wachdienst.
„Das war keine besoffene Skintruppe“, sagt ein Zeuge, der sich am Haus vorbeigewagt hatte. „Das war eine geschulte Elitemannschaft, in SS-Uniformen und mit Walkie-Talkie, die die gesamte Straße im Griff hatten.“ Im benachbarten Gussow beobachteten Einwohner, wie junge Kurzgeschorene vor dem Konsum aus dem Auto stiegen und sich in SS- Uniformen warfen. „Dann sind sie aus dem Ort gerast, die Reichskriegsflagge aus dem Fenster“, berichtet eine Zeugin. Und bittet, ihren Namen nicht zu nennen. „Der Wendland hat mit Besuch gedroht. Da traut sich doch keiner ran, wenn das sogar schon beim Vizebürgermeister stattfinden darf“, sagt Klotz. Sein Amt ist Wendland mittlerweile los, am Montag nach der Feier wurde er abgesetzt.
Die Konzert-Version ist ohnehin nur die Schminke für den wahren Charakter des Bundestreffens: Später am Abend, so berichten Zeugen, sind Limousinen aufgefahren, denen ältere Männer entstiegen, eskortiert von jeweils vier SS-Uniformierten. War der Lärm der Skinbands noch zu laut, um verständlich zu sein, so ließen die gebrüllten Parolen keinen Zweifel mehr zu. „Deutschland den Deutschen“, tönte es über den See und: „Sieg Heil, Sieg Heil.“ Die „Wasserfreunde“ und „Kuddel“ alarmierten die Polizei in Königs Wusterhausen.
Warum diese ebensowenig eingriff wie die 186 in Königs Wusterhausen wartenden Bereitschaftspolizisten, wird Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel (SPD) heute um zwölf Uhr in einer Pressekonferenz zu erklären versuchen. „Offenbar war es zu einer eklatanten Fehleinschätzung der Einsatzleitung gekommen“, sagt Ziels Pressesprecherin Wanke. Dem Innenministerium sei eine Fünf-Zeilen-Meldung übergeben worden, die von einem Skinhead- Konzert mit 250 Teilnehmern berichtete, von ruhestörendem Lärm, zwei Autounfällen und der Polizei, die die Situation im Griff hatte. Erst aus Presseberichten erfuhr Ziel vom Ausmaß des Rechtsradikalentreffens und brach seinen Urlaub ab. Tatsächlich jedoch war das Innenministerium gewarnt. Der Chef des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Wolfgang Pfaff, wußte von dem geplanten „Konzert“. Nur der genaue Ort war noch nicht klar. Pfaff: „Es ist eine neue Tendenz der Rechten, konspirativ zu arbeiten und erst in letzter Minute die Treffpunkte preiszugeben.“ Die Gegend um Königs Wusterhausen, bekannt ob seiner starken Nazi-Szene, sei indes schon lange unter Beobachtung. Nicht erst, seit 1992 das Asylantenheim im Nachbardorf Dolgenbrodt, wo Wendlands Zögling Marko Schmidt wohnt, abbrannte. Die mutmaßlichen Täter wurden jedenfalls erst vor wenigen Wochen verhaftet.
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