Kann Kanther kein Englisch?

Neuer Innenminister ist für „law and order“: Das hieße ja „Recht und Gesetz“ / Ein Hesse, um Bonner Personallücken zu stopfen / Wartet Seiters auf neue Aufgaben?  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Wer den designierten Bundesinnenminister als Vertreter von law and order bezeichnen will, muß ihm erst einmal erklären, was die drei englischen Wörter auf deutsch bedeuten. Übersetze man law and order, meinte Manfred Kanther noch gestern vormittag, dann bedeute das ja wohl „Gesetz und Recht“. Er zögere nicht mit dem Bekenntnis, versicherte er, „daß ich mein ganzes Leben lang für Recht und Gesetz eingetreten bin“.

Kanzler Helmut Kohl hatte den Rücktritt von Rudolf Seiters nicht geplant. Doch den Nachfolger konnte er gestern gleich nach der CDU-Präsidiumssitzung vorzeigen. Was es neben mangelhaften Fremdsprachenkenntnissen noch war, was den hessischen CDU- Chef zum neuen Innenminister qualifizierte, darüber wurde gestern in Bonn viel spekuliert. Die SPD-Opposition sah seine Ernennung als „deutliches Signal für einen Rechtsruck der CDU in Bonn“ und bezweifelte gleichzeitig Kanthers Qualifikation.

Weder verfüge der Hesse über Erfahrungen in der Bundespolitik, noch sei er ein ausgewiesener Innenpolitiker, kritisierte der SPD- Innenexperte Gerd Wartenberg. „Angesichts der schweren organisatorischen Mängel und des Chaos“ im Innenministerium sei Kohls Personalentscheidung „außerordentlich risikoreich“.

Kanther selbst deklarierte es gestern zur derzeit wichtigsten Aufgabe, die Schießerei in Bad Kleinen aufzuklären. „Mit allen Mitteln“ werde er dies versuchen, versicherte der designierte Minister. Er ließ aber auch keinen Zweifel an seinen künftigen Schwerpunkten. Neben der Umsetzung des neuen Asylrechts sei der Kampf gegen das „Verbrechen“ seine Hauptaufgabe.

Das waren Worte im Sinne seines Parteichefs Helmut Kohl, der die „Innere Sicherheit“ zum zentralen Wahlkampfthema machen will und Kanther als den richtigen ansieht, dieses Thema zu transportieren.

Daß Kohl nicht seinen Hausmeier Friedrich Bohl vom Kanzleramtsminister zum Innenminister beförderte, wie er das zuvor mit Seiters getan hatte, überraschte zwar viele in Bonn. Doch Bohls Beförderung hätte neue Löcher an anderer Stelle aufgerissen. Wäre ihm Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Rüttgers ins Kanzleramt nachgefolgt, wäre Rüttgers Posten vakant geworden. Ersatz dafür war nicht in Sicht.

Nach den vielen Rücktritten der lezten Monate sei die Personalauswahl in der Unionsfraktion „völlig ausgedünnt“, folgerte ein Sozi, der auch den Wahlerfolg der CDU in Kassel als Erklärung heranzog: Kaum sei die SPD in Hessen in Schwierigkeiten, befördere der Kanzler einen hessischen Unionsmann zum Minister.

Mindestens soviel Rätselraten hatte am Sonntag der plötzliche Rücktritt von Rudolf Seiters ausgelöst. Eigene Fehler wollte der Niedersachse zwar nicht eingestehen, als er auf dem Hof des Ministeriums seine kurze Erklärung verlas. Doch er bemühte „den Begriff der politischen Verantwortung“, die er als zuständiger Minister tragen müsse. Selbst die SPD- Opposition wurde kalt erwischt. Daß Seiters gegangen sei, „ohne daß die massive Kritik auf ihn schon eröffnet war“, sei „ein bißchen ungewöhnlich“, meinte Wartenberg. „Meistens werden die Leute ja rausgetragen.“

Wohlmeinende in Union und SPD nahmen Seiters' Hinweis ernst, er habe seine Familie vor Zudringlichkeiten schützen wollen. Die habe schon während der Asyldebatte unter dem ständigen Polizeischutz gelitten. Weniger gutwillige Beobachter mutmaßten, Seiters halte sich für neue Aufgaben bereit, etwa für die Nachfolge von Finanzminister Theo Waigel. So sei er der Affäre um den Todesschuß in Bad Kleinen noch unbeschädigt entkommen. Kohl gab diesen Spekulationen gestern Nahrung. Er sei sich „sicher“, meinte der Kanzler, daß Seiters „auch in Zukunft unserem Land in wichtigen Bereichen dienen kann“.