Praktisch und schnell verstaubar

■ Die Ausstellung „Wie Blumen in der Wüste“ bringt Hamburg die Kultur der nomadischen Turkmenen näher

Hamburg und Turkmenistan, hier die moderne westliche Großstadt, dort die jahrtausendealten Nomadenstämme im fernen Zentralasien. Ein Gegensatz von Lebenswelten wie er größer kaum sein könnte, und um so spannender der Versuch des Völkerkundemuseums, den Hamburgern mit der Ausstellung Wie Blumen in der Wüste eine bisher so ferne Volksgruppe näherzubringen.

„Nomaden“ — Assoziationen von Wüste und Weite werden geweckt, von Wildheit und Beschwerlichkeit. Im Völkerkundemuseum hat man versucht, den Schwerpunkt auf das alltägliche Leben zu legen, und nicht wie bisher in den meisten Untersuchungen über Turkmenistan auf Silberschmuck und Teppiche. Zwar spielen auch die eine große Rolle, aber nicht als makellose Sammlerobjekte, sondern als Gebrauchs- und Kulturgegenstände der Nomaden. „Das hat einige Sammler ganz schön in Rage gebracht, denen geht es hier viel zu sehr um die Menschen“, erklärt Museumsdirektor Wulf Köpke.

Neu war auch, „Betroffene“ in die Aussstellungsvorbereitungen einzubeziehen: Turkmenen in Hamburg sowie Kontakte zu Bewohnern der seit 1991 unabhängigen Republik Turkmenistan ermöglichten Zugang zu überliefertem Wissen, zu persönlichen Gegenständen und Fotos. Tatsächlich läßt sich vieles über das Leben der Turkmenen über die prachtvollen Teppiche erschließen: Nomaden müssen beweglich bleiben, die Einrichtung muß praktisch und schnell verstaubar sein. Teppiche und andere Knüpf- und Webwaren übernehmen die Funktion von Möbeln. Die Teppiche erfüllen aber noch einen anderen Zweck: Sie verwandeln einen Teil der unwirtlichen Wüstenlandschaft in ein Stückchen Zivilisation, wer auf ihnen sitzt, fühlt sich gefeit gegen äußere Feinde. Die kultische Bedeutung einzelner Ornamente wird minutiös an den Wandtafeln erläutert: Dreiecke und Widderhörner schützen gegen den bösen Blick, Rot verstärkt alles Positive. Wer genau hinsieht, findet in den Mustern der Teppiche auch die „Blumen in der Wüste“ wieder.

Die Ausstellungsmacher schicken die Besucher auf Entdeckungsreise, lassen sie quasi „nomadenhaft“ in den Räumen herumstreunen. Man kann die Atmosphäre auf sich wirken lassen und bei den Sachen, die besonders interessieren ins Detail gehen. Die Ausstellung spricht alle Sinne an: Neben Gegenständen des täglichen Gebrauchs gibt es Aufnahmen turkmenischer Musik, den typischen schwarzen Tee, sogar den Geruch der Wüste hat man mit Hilfe von Kräutermischungen einzufangen versucht. Tritt der Besucher in den größeren der beiden Räume ein, knirscht der Wüstensand unter den Füßen und es vermittelt sich ihm eine Weite und Helle, in der die einzelnen Stücke zur Geltung kommen. Hier steht auch eine Original-Jurte, ein großes Nomadenzelt mit dazugehörigem Mobiliar.

Informationen über kulturelle Hintergründe, wie etwa über die ungewöhnlichen Hochzeitsriten oder über Stammeszusammenhänge, Geschichte und Sprache sind zahlreich und detailliert an Wandtafeln zu finden. Nur über die jüngste Geschichte Turkmenistans, die Probleme unter der Sowjetregierung und die neuen seit der Unabhängigkeit, bleibt die Information etwas dünn. Hier muß man schon genau hinsehen und zwischen den Zeilen lesen. Turkmenistan als möglicher Brennpunkt ethnischer Konflikte ist in dieser sehenswerten Ausstellung kaum thematisiert. Wulf Köpke erklärt, warum: „Wir mußten sehr genau aufpassen, was wir schreiben, um keine der involvierten Turkmenen zu gefährden.“

Birgit Maaß

Völkerkundemuseum, bis 3. 10.