■ Der BKA-Chef erklärt den Tod von Wolfgang Grams
: Unwahrscheinlich unglücklich gefallen

Acht Tage nach dem mörderischen Polizeidebakel von Bad Kleinen kommt eine neue Spekulation auf den Tisch: Wolfgang Grams wurde weder von der Polizei erschossen, noch hat er sich selbst getötet. BKA-Chef Hans-Ludwig Zachert gab nun bekannt, das mutmaßliche RAF-Mitglied sei möglicherweise auf der Flucht vor den ihn verfolgenden GSG-9-Beamten auf die Gleise gestürzt. Im Fallen habe sich dann der tödliche Schuß aus „nächster Nähe“ in die Schläfe gelöst, der Grams das Leben kostete. Die neue Version hat etwas für sich. Sie bringt die widersprüchlichen, bisher bekanntgewordenen Abläufe auf dem Kleinstadtbahnhof so zusammen, daß die Beamten der GSG 9 vom bösen Verdacht der Ermordung freigesprochen werden. Sie wirft indes einige neue Fragen auf: Warum haben die eingesetzten Beamten diesen Ablauf nicht sofort zu Protokoll gegeben? Warum sah sich das BKA oder die GSG 9 nicht in der Lage, das an die Öffentlichkeit zu bringen? Warum ist seitens der Bundesanwaltschaft derart massiv gemauert worden, wo doch eine solche Erklärung die Behörde entlastet?

Zudem gibt es da immer noch zwei Zeugen, die nicht von den Ermittlungsbehörden, sondern von den Medien ausfindig gemacht wurden und deren Angaben Zacherts neuer Version widersprechen. Beide, eine Kioskbesitzerin auf dem Bahnhof und ein beim Einsatz anwesender Polizeibeamter, führten unabhängig voneinander an, der reglos am Boden liegende Grams sei von einem Polizisten aus nächster Nähe in den Kopf geschossen worden. Welchen Sinn sollten diese Aussagen machen, wenn sich Grams bei einem Sturz (weil er bereits getroffen wurde oder gestolpert war) bereits selber tödlich verletzt hätte. Warum sollten solche Aussagen erfunden werden?

Verdächtig ist auch der Zeitpunkt, zu dem die Version eines „Unfalles“ das Licht erblickt. Nur wenige Stunden zuvor hatte sich herausgestellt, daß Grams offensichtlich mit der eigenen Waffe getötet wurde. Und wie konnte das geschehen sein, wo doch die Zeugen berichten, daß er bereits überwältigt am Boden lag, die eigene Waffe unerreichbar zwei Meter entfernt? Die einzig vernünftige Erklärung hätte lauten müssen, daß die Beamten sich der Pistole von Grams bei dem Todesschuß bedienten. Der kaltblütige Rückgriff auf die Waffe des Niedergeworfenen, mit dem die Spuren einer Erschießung durch die Polizeibeamten verwischt werden sollten, hätte anschließend den Vorwurf, Grams sei aus Rache für die Ermordung eines Kollegen erschossen worden, noch in den Schatten gestellt. Die GSG 9 wäre in den Kreis der Todesschwadrone aufgerückt. Die neue Version kommt gerade noch zur rechten Zeit. Daß sich Grams den „aufgesetzten Kopfschuß“ an der Schläfe bei einem Sturz selber zugezogen haben könnte, ist mit letzter Sicherheit nicht auszuschließen. Viel wahrscheinlicher hingegen ist, daß es sich tatsächlich nur um eine Schutzbehauptung handelt. Wolfgang Gast